Rüstung: Exporte verdoppelt:Deutschland schickt Waffen in alle Welt

Deutschland exportiert erfolgreich wie nie U-Boote, Panzer und andere Waffen. Das Parlament erfährt von den geheimen Deals erst viel später.

Wolfgang Jaschensky

Den Titel des Exportweltmeisters hat Deutschland an China verloren. Doch in einem Bereich wächst der hiesige Außenhandel gewaltig: Die deutsche Rüstungsindustrie verdoppelte ihre Exporte in den vergangenen fünf Jahren.

Nach einer Erhebung des schwedischen Friedensforschungsinstitutes Sipri (Stockholm International Peace Research Institute) stieg der deutsche Weltmarktanteil auf elf Prozent für den Zeitraum zwischen 2005 und 2009. Erfolgreicher sind nur die USA und Russland. Im Vergleichszeitraum von 2000 bis 2004 hatte der deutsche Weltmarktanteil noch bei sechs Prozent gelegen.

Wer sich auf die Suche nach den Gewinnern dieses Exportbooms macht, landet zum Beispiel in Kiel. Die Howaldtswerke-Deutsche Werft GmbH (HDW), Weltmarktführer im Segment der nichtnuklearen U-Boote, verkauft ihre Hightech-Produkte überaus erfolgreich. Zum Beispiel die Klasse 212 A, laut Eigenwerbung "die Spitze deutscher U-Boottechnologie". Oder das größere, mit acht Torpedorohren ausgestattete U-Boot der Klasse 214.

Die letzte Erfolgsmeldung liegt acht Monate zurück: "Mit der Türkei rüstet ein weiteres Land seine Marine mit dem derzeit modernsten außenluftunabhängigen U-Boottyp aus", heißt es in der Pressemitteilung. Der Nato-Partner hatte zuvor einen Vertrag zur Lizenzherstellung von sechs U-Booten der Klasse U-214 im Wert von zwei Milliarden Euro unterzeichnet.

Es ist schwierig, den Erfolg der HDW zu messen. Die Werft gehört zum Firmenkonglomerat von Thyssen Krupp und weist keine eigenen Zahlen aus. Die Verkaufsstatistik ist aber beeindruckend. In den vergangenen Jahren wurden allein 36 U-Boote mit dem modernen Brennstoffzellen-Antrieb verkauft. Und die Werft ist auf Jahre hinaus ausgelastet.

Die Sipri-Zahlen zeigen, dass neben Panzern vor allem U-Boote "made in Germany" zum Verkaufsschlager geworden sind. Die Kieler HDW profitiert vom Ausbau der Marine in vielen Ländern. Und davon, dass Rüstungskontrolle in diesem Sektor nicht so strikt ist. Das sagt jedenfalls Michael Brzoska, Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg zu sueddeutsche.de.

In Zeiten, da die deutschen Werften um das wirtschaftliche Überleben kämpfen, ist der Boom ein Segen für viele Werftarbeiter. Wenn die U-Boote an EU-Länder oder Nato-Partner wie die Türkei gehen, gibt es gegen den Verkauf der Kriegsgeräte auch kaum Bedenken. Anders sieht es aber aus, wenn ein Land wie Pakistan Interesse anmeldet. Auch die Regierung in Islamabad will U-Boote aus Kiel bestellen. 1,2 Milliarden Euro will Pakistan offenbar für drei U-Boote der Klasse 214 zahlen.

HDW will zum Stand der Verhandlungen keine Auskunft geben. Aus informierten Kreisen erfuhr sueddeutsche.de aber, dass der Bundessicherheitsrat bereits einen positiven Vorbescheid für das Geschäft gegeben haben soll.

Parlament ohne Kontrolle

Der Bundessicherheitsrat kontrolliert und koordiniert die deutsche Sicherheitspolitik und entscheidet über Rüstungsexporte. Neben Kanzlerin Merkel sitzen ihr Amtschef Ronald Profalla und sieben Minister in dem Gremium. Der Rat tagt geheim - und unterliegt keiner parlamentarischen Kontrolle.

Dagegen regt sich nun zunehmend Kritik. "Der Bundestag muss, wie es in anderen Ländern und Parlamenten ja Standard ist, endlich das Recht bekommen, die Bundesregierung in Sachen Rüstungsexporte zu kontrollieren", forderte etwa Grünen-Chefin Claudia Roth.

Der Verteidigungspolitiker der Partei, Alexander Bonde, stellt die Bewertungskriterien der Bundesregierung in Frage. "Der Sipri-Bericht verdeutlicht, dass die Regierung Rüstungsexportgenehmigungen zuerst industriepolitisch bewertet und damit gegen die eigenen Rüstungsexportrichtlinien verstößt", sagte er zu sueddeutsche.de.

Bei der Lieferung von Waffen müsse aber eine verantwortungsvolle Abwägung vorangehen, bei der nur sicherheits- und friedenspolitische Auswirkungen eine Rolle spielen dürften. Auch Bonde fordert deshalb, das Parlament bei der Entscheidungen über Rüstungsexporte einzubeziehen.

Der aktuellste Bericht: aus dem Jahr 2007

Friedensforscher Brzoska geht diese Forderung zu weit, schließlich sei Außenpolitik nun mal Sache einer Regierung. "Die Entscheidungen müssen aber transparenter werden." Brzsoka fordert, dass Bundestagsausschüsse oder Vertreter aus dem Bundestag regelmäßig auch vorab informiert werden müssen, um in kritischen Fällen Diskussionen anregen zu können.

Ähnlich sieht das auch Hans-Peter Bartels. Der SPD-Verteidigungspolitiker fordert, das Parlament umgehend zu informieren, sobald eine Genehmigung erteilt ist.

Das wäre schon ein gewaltiger Fortschritt. Bislang erfahren Abgeordnete oft aus den Medien von Rüstungsdeals.Offiziell werden sie über den Rüstungsexportbericht informiert. Die aktuelle Ausgabe beleuchtet das Jahr 2007.

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