Rücktrittsforderungen an Ypsilanti:Ein Brief von der Basis

An Andrea Ypsilantis Stuhl wird gesägt: Ein SPD-Unterbezirk fordert in einem eigentlich vertraulichen Brief den Rücktritt der Parteichefin. Die Bundes-SPD sackt wegen des Debakels in einer Umfrage auf 23 Prozent ab.

Der hessische SPD-Unterbezirk Main-Kinzig hat den Rücktritt der Landesvorsitzenden Andrea Ypsilanti und des gesamten Landesvorstandes gefordert. Der Hessische Rundfunk berichtete am Mittwoch, ein entsprechendes Schreiben des Unterbezirksvorsitzenden André Kavai an Ypsilanti liege dem hr-Studio Wiesbaden vor.

Rücktrittsforderungen an Ypsilanti: Andrea Ypsilantis Landesverband beschert auch der Bundes-SPD schlechte Umfragewerte.

Andrea Ypsilantis Landesverband beschert auch der Bundes-SPD schlechte Umfragewerte.

(Foto: Foto: ddp)

Vertrauliche Rücktrittsforderung

Demnach habe die SPD im Main-Kinzig-Kreis bereits am Dienstag vergangener Woche einstimmig beschlossen, den Landesvorstand zum Rücktritt aufzufordern.

"Wir bitten den gesamten Landesvorstand, der Verantwortung für die hessische SPD gerecht zu werden und die Konsequenzen aus dem Debakel zu ziehen und den Weg für einen personellen Neuanfang frei zu machen", heißt es in dem als vertraulich gekennzeichneten Brief. Kavai sei für eine Stellungnahme nicht zu erreichen gewesen, berichtete der hr.

Der SPD-Unterbezirk Main-Kinzig hatte Ypsilantis geplante Zusammenarbeit mit der Linkspartei schon in der Vergangenheit kritisiert.

Kritik von Ypsilantis Vorgänger

SPD-Generalsekretär Norbert Schmitt bestätigte, dass der Brief bereits in der vergangenen Woche beim Landesvorstand eingegangen sei. Die Rücktrittsforderung, so Schmitt, sei aber nach der Sitzung des Parteirats am Samstag überholt. Dabei hatte SPD-Chefin Ypsilanti auf die Spitzenkandidatur verzichtet und diese auf Thorsten Schäfer-Gümbel übertragen.

Auch der frühere hessische SPD-Chef Gerhard Bökel kritisierte seine Nachfolgerin Andrea Ypsilanti, weil sie trotz der gescheiterten Regierungsübernahme an der Spitze von Partei und Fraktion bleibt. "Ich hätte politisch auch die Verantwortung gezogen", sagte Bökel der Frankfurter Rundschau. Das habe nichts mit "persönlicher Schuld" zu tun, sondern mit der Notwendigkeit eines Neuanfangs. "Ich verstehe nicht, warum sie Thorsten Schäfer-Gümbel nicht wenigstens den Fraktionsvorsitz überlässt", sagte Bökel.

Der Ex-Parteichef, der die vier SPD-Abweichler beraten hatte, verwahrte sich gegen den Vorwurf des parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Fraktion, Reinhard Kahl, er habe die Partei "hinterlistig hintergangen".

Er sei sicher, dass Schäfer-Gümbel "eine solche Ausgrenzung nicht mittragen wird", sagte er.

Die Linke brüstet sich derweil mit einem neuen Alleinstellungsmerkmal: Gregor Gysi bezeichnete seine Partei als einzige Garantin für eine Abkehr von der CDU-Politik unter Ministerpräsident Roland Koch in Hessen.

SPD sinkt in der Wählergunst

Außer der Linken versichere das jetzt keine Partei mehr in Hessen, sagte der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag am Mittwoch in Berlin. Er werde dem Landesverband der Linken raten, mit Wahlkampfaussagen wie "zuverlässig - links" und "zuverlässig - sozial" zu arbeiten. Gysi ist dagegen, dass die Linke ein zweites Mal bereit ist, eine rot- grüne Minderheitsregierung zu tolerieren.

Als Problem für seine Partei bezeichnete er, dass sich ein Teil ihrer Wähler nicht in der Mitgliederstruktur wiederfinde. So wählten im Westen Intellektuelle und im Osten Besserverdienende zwar die Linke, engagierten sich aber nicht in der Partei. So gebe es weniger in der Partei organisierte Linke, die für ihre Interessen stünden.

Für die Bundes-SPD wird das Hessen-Debakel zur fühlbaren Bedrohung: Die Partei sackte in einer Forsa-Umfrage auf 23 Prozent ab. Das Gezerre um eine Zusammenarbeit mit der Linken schade der SPD auch bundesweit in ihrem Ansehen, begab eine Befragung der Bundesbürger.

Mehrheit für Union und FDP

In der wöchentlichen Umfrage des Magazins Stern und des Fernsehsenders RTL verlor die SPD im Vergleich zur Vorwoche drei Punkte und kommt jetzt nur noch auf 23 Prozent. Das sei ihr schlechtester Wert seit dem Wechsel an der Parteispitze Anfang September, teilte das Magazin am Mittwoch mit.

Die Union kletterte der Forsa-Umfrage zufolge um einen Punkt auf 37 Prozent. Die Grünen stiegen um zwei Punkte auf 9 Prozent. Die Werte der FDP (12 Prozent) und der Linkspartei (13 Prozent) blieben unverändert. Für sonstige Parteien würden 6 Prozent der Wähler stimmen.

Damit kommen Union und FDP wieder auf eine Mehrheit von 49 Prozent. In vergangenen Umfragen gab es für Schwarz-Gelb zeitweise keine Mehrheit. SPD, Grüne und Linkspartei liegen zusammen bei 45 Prozent.

Forsa hatte für die Umfrage vom 3. bis 7. November 2501 repräsentativ ausgesuchte Bundesbürger befragt. Die statistische Fehlertoleranz liegt bei 2,5 Prozentpunkten.

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