Rücktritt des Bundesbank-Vorstands:Sarrazin: Wollte Wulff schützen

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Thilo Sarrazin wertet sein freiwilliges Ausscheiden aus der Notenbank als Hilfe für Bundespräsident Wulff und hat noch einen Seitenhieb parat. Indes gibt es laut Medienberichten Hinweise, dass Bellevue Sarrazins Abgang alleine verhandelt hat - ohne die Bundesbank.

Irgendwann wurde der öffentliche und nicht zuletzt politische Druck zu groß und Thilo Sarrazin ist freiwillig aus dem Vorstand der Bundesbank ausgeschieden. So lautet die allgemeine Wahrnehmung. Der umstrittene Buchautor selbst sieht das offenkundig anders: Er wertet seinen Rücktritt als Hilfe für Bundespräsident Christian Wulff.

Sieht seinen freiwilligen Rückzug aus dem Vorstand der Bundesbank als staatsbürgerliche Pflicht und Hilfe für Bundespräsident Christian Wulff (CDU): Noch-SPD-Mitglied Thilo Sarrazin. (Foto: Reuters)

"Wäre ich stur geblieben, hätte das den Bundespräsidenten - weil er sich so weit vorgewagt hatte - und das Staatsamt beschädigt", äußerte Sozialdemokrat Sarrazin in einem Interview mit der Bild-Zeitung. Es war ein kleiner Seitenhieb auf das Staatsoberhaupt: Wulff hatte die Bundesbank indirekt aufgefordert, gegen Sarrazin vorzugehen, darauf spielte Sarrazin nun an.

Sarrazin sagte nun dem Boulevard-Blatt, er habe niemanden in eine "ausweglose Situation treiben" wollen. "Ich habe mich schlicht meiner Haut gewehrt und wollte meine Ehre retten. Das habe ich durchgesetzt", sagte der frühere Berliner Finanzsenator dem Blatt.

Indes schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), das Amt von Bundespräsident Wulff habe beim Rückzug Sarrazins aus der Notenbank eine tragende Rolle gespielt. Im Bundespräsidialamt wurde dem aber deutlich widersprochen.

Die Zeitung berichtet, Vertreter von Wulff hätten am vergangenen Mittwoch allein mit Sarrazins Anwalt Stefan Eiden über den Rückzug seines Mandanten aus der Notenbank verhandelt und dessen Bedingungen akzeptiert. Zu diesen Bedingungen soll auch eine höhere Pension für das Noch-SPD-Mitglied gehören - was Wulff jedoch umgehend dementieren ließ.

Repräsentanten der Bundesbank seien nach Darstellung einer mit dem Vorgang vertrauten Person bei den Verhandlungen nicht anwesend gewesen, schreibt das Blatt. Von Präsidialamtsseite hätten aber mindestens drei Vertreter verhandelt.

Nach dieser neuen Darstellung aus dem Umfeld der Bundesbank soll selbst der Pressetext, den die Bank am nächsten Tag veröffentlichte, in dieser Sitzung in wesentlichen Teilen diktiert worden sein.

Wulffs Sprecher Olaf Glaeseker hatte dagegen am Wochenende erklärt: "Alle inhaltlichen Vereinbarungen wurden ausschließlich von den Vertragspartnern getroffen." Das Bundespräsidialamt habe lediglich "die Rolle der Mediation im Rahmen rechtlichen Gehörs der Beteiligten übernommen".

Dementi aus Bellevue

Hohe Präsidialamtskreise widersprachen der Darstellung der Zeitung. Demnach sollen bei dem Gespräch sowohl Vertreter Sarrazins als auch der Bundesbank anwesend gewesen sein. Die abschließende Information der Öffentlichkeit sei von beiden Seiten abgestimmt worden, erfuhr die dpa aus dem Präsidialamt. Beide Seiten hätten sich auch ausreichend Zeit genommen, um mit Sarrazin einerseits und der Bundesbank andererseits Rücksprache zu halten.

Auch der Bundespräsident selbst hat sich in der Sache erneut zu Wort gemeldet und Kritik an seinem Verhalten in der Affäre Sarrazin zurückgewiesen. "Wichtig ist mir, dass wir jetzt eine substanzielle und sachliche Debatte über eine bessere Integration in Deutschland führen. Darum geht es", sagte Wulff der Thüringer Allgemeinen.

Die Opposition hatte das Staatsoberhaupt zuvor wegen der Vermittlerrolle des Präsidialamts bei der Einigung zwischen der Bundesbank und Sarrazin kritisiert.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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