Rückführungen:Abschied vor der Abschiebung

Die freiwillige Rückkehr von Migranten in ihre Herkunftsländer soll in Deutschland mehr gefördert werden.

Von J. Bielicki, B. Kastner

Gemeinsames Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr

Bundesinnenminister Thomas de Maizière will konsequenter abschieben - "auch wenn es umstritten ist, auch wenn es weh tut".

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Während Innenminister Thomas de Maizière im Bundestag für konsequentere Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber wirbt, legen Migrationsexperten den Finger in eine Wunde, die genau genommen eine Lücke ist: Deutschland tut zu wenig, um die freiwillige Rückkehr von Migranten in ihr Herkunftsland zu fördern. Das stellt der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) fest, nachdem er die Systematik in der deutschen Hilfestruktur untersucht hat. Sein Ergebnis lässt die Frage aufkommen, ob man bisher überhaupt von einer Struktur sprechen kann: Es gebe "kaum verbindliche Vorgaben" dafür, wie Bund, Länder und Kommunen die Unterstützung von Migranten ausgestalten, die vor der Abschiebung ausreisen. Entsprechend unterschiedlich laufe dies ab.

Rückkehrberatung sollte flächendeckend eingeführt und gesetzlich verankert werden. Das ist eine der zentralen Empfehlungen der SVR-Experten, die Jan Schneider präsentierte. "Es fehlt zudem in den meisten Bundesländern an Informationen und Beratungsangeboten", weshalb Abgelehnte ungleich behandelt würden. Während Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen in der Statistik deutlich mehr geförderte Ausreisen stehen hätten als Abschiebungen, setzten andere Länder auf restriktivere Maßnahmen. Bundesweit wurden im vergangenen Jahr knapp 27 000 Flüchtlinge abgeschoben, während etwa 54 000 freiwillig zurückgekehrt sind, gefördert durch ein bundesweites Rückkehrerprogramm. Diese Zahl hat sich innerhalb von zwei Jahren vervierfacht, sie könnte aber noch weiter steigen. Freiwillige Rückkehrer können, je nach Programm, mehrere Tausend Euro erhalten.

Die SVR-Experten geben detaillierte Ratschläge, wie Politik und Behörden die Defizite beheben könnten. "Bund und Länder sollten konsequent auf Beratung und Rückkehrförderung setzen", sagt Schneider. "Dies könnte wesentlich mehr Menschen die Ausreise ohne unmittelbaren Zwang ermöglichen." Abschiebungen seien hart für die Betroffenen und zudem aufwendig und teuer für den Staat. Bundesweit aber fehlten die Strukturen, "das fängt bei der fehlenden Information und Beratung von Asylbewerbern an". Diese Beratung sollte schon kurz nach der Ankunft in Deutschland beginnen, um die Migranten auf spätere Hilfen hinzuweisen, falls ihr Asylantrag scheitert. Spätestens, wenn der Bescheid negativ ausfällt, sollte der Abgelehnte in einem persönlichen Gespräch über Rückkehrhilfen informiert werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) kündigte an, ein entsprechendes Pilotprojekt zu starten.

Bundesinnenminister de Maizière (CDU) warb dagegen am Donnerstag für seinen Gesetzentwurf, um Abschiebungen konsequenter durchzusetzen. Rückkehr zu fördern und Integration zu fördern seien "zwei Seiten einer Medaille", sagte er im Bundestag. Das Gesetzespaket war nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt geschnürt worden. Offenheit und Freundlichkeit gelte nicht für diejenigen, "die die Offenheit frontal angreifen oder auszutricksen versuchen". Die verschärften Maßnahmen seien erforderlich, "auch wenn es umstritten ist, auch wenn es wehtut".

Das geplante Gesetz sieht auch vor, dass Mitarbeiter des Bamf Datenträger wie Handys und Tablets auslesen dürfen, um die Identität von Flüchtlingen ohne Pass zu klären. Dies kritisiert die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff: Sie bezweifelt, ob dieser Passus verfassungsgemäß ist. Das Speichern von persönlichen Daten, wie sie sich etwa in einem Smartphone finden, sei ein "schwerwiegender Grundrechtseingriff", der nur dann gerechtfertigt wäre, wenn ihm ein "gewichtiger Zweck gegenüberstünde". Dies sei aber nicht der Fall, weil die Daten allenfalls Indizien für die Identität lieferten. Die Kritik der obersten Datenschützerin ist eine Steilvorlage für die Opposition: "Vernichtender kann ein Zeugnis nicht ausfallen", sagte die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke.

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