Rückblick:Zwölf Jahre Stoiber

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Von der Amigo-Affäre bis zum Kanzlerkandidaten - die Höhen und Tiefen einer Amtszeit

Sebastian Beck/Martin Zips

1993

Spätfolgen der Strauß-Ära. (Foto: Foto: dpa)

Innenminister Edmund Stoiber, jüngstes Kind eines Oberpfälzer Kaufmanns und einer Rheinländerin, gilt neben dem CSU-Vorsitzenden Theo Waigel als Kronprinz des wegen der so genannten Amigo-Affäre ins Trudeln geratenen Ministerpräsidenten Max Streibl. Am 28. Mai wird Stoiber mit 122 von 184 gültigen Stimmen gewählt. Seine Minister sind alle männlich - immerhin gibt es vier Staatssekretärinnen. In seiner Regierungserklärung verspricht er Bürokratieabbau, auch die Streichung von Politikerprivilegien. Bis zur nächsten Landtagswahl hat er nur noch einige Monate Zeit.

1994

Ballast wird abgeworfen: Stoiber lässt in einer Untersuchungskommission prüfen, ob an den Selbstbereicherungsvorwürfen gegen Umweltminister Peter Gauweiler was dran ist. Am 18. Februar reicht Gauweiler seinen Rücktritt ein. Stoiber bemüht sich als Ausmister im Amigo-Stall. Doch gibt es Meldungen, er habe sich 1983 von der Familie des Füssinger Bäderkönigs Eduard Zwick zu einer Vergnügungsreise nach Südfrankreich einladen lassen. Schon zuvor hatte es Vorwürfe gegeben, er sei auf Einladung der Wirtschaft geflogen und gefahren. Bei der Landtagswahl büßt die CSU nur 2,1 Prozent ein und erhält 52,8 Prozent der Stimmen.

1995

Der Ministerpräsident verlässt im Streit um die Öffnungszeiten von Biergärten und in der Diskussion um Kruzifixe im Klassenzimmer nie die urwüchsig bayerische Linie. Da wie dort verkündet er, er habe bereits Leute angesetzt, die auf Landesebene für die Bewahrung bayerischer Traditionen kämpfen sollten. Weiterhin möchte er den ARD-Staatsvertrag kündigen und die ARD abschaffen. Bundeskanzler Helmut Kohl, der sich gerade mal wieder über einen Satire-Beitrag des WDR-Magazins Monitor fürchterlich geärgert hat, stellt sich hinter Stoiber. Bundesweit profiliert sich der Ministerpräsident zudem durch die Gründung einer so genannten Zukunftskommission mit Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft. Er wünsche sich mehr Dynamik für den Standort Deutschland, sagt er.

1996

Mit seinem ausgeprägten Hang zu Alleingängen macht sich Stoiber nicht nur Freunde. Mal möchte er den Buß- und Bettag wieder einführen, dann die Sudetendeutschen in den deutsch-tschechischen Aussöhnungsprozess miteinbeziehen. Er sorgt für einen bayerischen Beschäftigungspakt und beschreitet auch im Abtreibungsrecht Sonderwege. Es wird spekuliert: Geht es ihm dabei nur um das große Ganze oder sind das womöglich auch Hahnenkämpfe mit seinem Rivalen, dem CSU-Vorsitzenden und Bundesfinanzminister Theo Waigel?

1997

Stoibers Einwände gegen die Rentenreform, die Steuerreform, die Gesundheitsreform, den Paragraphen 218, die europäische Währungspolitik - sie setzen Theo Waigel unter Druck. Stoiber fordert auch die strikte Einhaltung der Maastrichtkriterien zur Einführung des Euro oder plädiert für eine Pkw-Maut auf den Autobahnen. Das kommt bei Waigel nicht immer gut an. Ob Bayerns Ministerpräsident so bundesweit Karriere machen möchte? Im Jahr 2002, wenn er mal 61 Jahre sei, könnte es schon sein, "dass man dann überlegt, was noch kommen soll im Leben", sagt er damals. Er fügt hinzu: "Ich schließe definitiv aus, dass ich Kanzlerkandidat werde."

1998

Landtags- und Bundestagswahl stehen an. In Berlin gewinnt Schröders SPD, in Bayern indes kommt Stoibers CSU auf 52,9 Prozent der Stimmen. Sein neues Kabinett hat gleich drei Mitglieder weniger. Und nur einen Tag vor Stoibers Wiederwahl im Landtag räumt Theo Waigel als CSU-Vorsitzender das Feld.

1999

"Schafsscheiß" - ein hässliches Wort, aber programmatisch für dieses Jahr, das so gut anfängt: Am 16. Januar tritt Stoiber die Nachfolge von Theo Waigel als CSU-Vorsitzender an. Im Sommer stürzt Stoiber jedoch in seine bisher schwerste Krise: Die halbstaatliche Wohnungsbaugesellschaft LWS hat 367 Millionen Mark Verlust angehäuft. Als Sündenbock für die Misswirtschaft hat Stoiber den Justizminister und vormaligen LWS-Aufsichtsratschef Alfred Sauter auserkoren. Stoiber ruft Sauter am Handy an, um ihm seine Entlassung mitzuteilen. Der weigert sich zu gehen und bezeichnet Stoibers Rechtfertigungen als "Schafsscheiß". Eine Woche später rechnet Sauter im Landtag öffentlich mit Stoiber ab - ein einmaliger Vorgang.

2000

Angriff auf die ARD: Stoiber, Kohl. (Foto: Foto: AP)

Stoiber ist wieder oben auf: Bayern schwimmt dank hoher Steuereinnahmen im Geld, Umfragen sehen ihn sogar schon als Kanzlerkandidaten der Union. Als im Allgäu jedoch Ende Dezember die Kuh "Trixi" an BSE verendet, bahnt sich für den Ministerpräsidenten die nächste landespolitische Krise an.

2001

Stoiber sieht nach den ersten BSE-Fällen eine Zeitenwende in Bayern heraufdämmern und stürzt sich in den Aktionismus: Er entlässt Sozialministerin Barbara Stamm aus dem Kabinett, erfindet das Ministerium für Gesundheit, scheitert aber mit dem Versuch, seinen Liebling, den TU-Präsidenten Wolfgang A. Herrmann, ins Kabinett zu holen. Immerhin reicht das Geld noch für ein 600-Millionen-Mark-Programm für Verbraucherschutz. Mindestens ebenso intensiv beschäftigt sich Stoiber aber mit der K-Frage: Will er Kanzlerkandidat der Union werden? Ende des Jahres steht es fest: Ja, er will.

2002

Nach dem Wolfratshauser Frühstück (Kaffee, Semmeln, Ei, Marmelade) mit Angela Merkel am 11. Januar ist alles klar: Stoiber wird Kanzlerkandidat. Sein neuer Image-Berater Michael Spreng streicht Stoiber die "Ähs" aus allen Reden. Stoiber hat seinen Kopf nun noch mehr als sonst in Berlin. Daheim in Bayern wird plötzlich das Geld knapp: Die Steuereinnahmen fallen 2002 um 1,1 Milliarden niedriger als veranschlagt aus. Stoibers Finanzminister Faltlhauser legt das erste Sparprogramm auf - für Bayern und Stoiber ein Novum.

2003

Das Jahr des größten Triumphs und der politischen Wende: Bei der Landtagswahl erringt Stoibers CSU die Zweidrittelmehrheit. Danach ist die Feierlaune schnell vorbei. Auf einer Kabinettsklausur eröffnet Stoiber seinen Ministern, dass 2,5 Milliarden Euro gespart werden sollen. In seiner Regierungserklärung kündigt er eine Verwaltungsreform an.

2004

Plötzlich muss sich Stoiber wieder um die Landespolitik kümmern: Bauern, Beamte, Studenten - sie alle beteiligen sich an den Protesten gegen die Sparpolitik. Im Januar beschließt die CSU-Fraktion Kürzungen von 2,44 Milliarden Euro - allein für 2004. Dennoch folgt die CSU Stoiber und seinem Ziel: 2006 soll ein schuldenfreier Haushalt vorgelegt werden.

2005

An der Parteibasis wächst der Unmut über die Stoibersche Sparpolitik und seinen einsamen Regierungsstil. Der Ministerpräsident zaudert wieder, wie schon 2001: Soll er nach Berlin wechseln oder in Bayern bleiben? Seit Sonntagabend steht es fest: Stoiber wird aller Voraussicht nach Bundeswirtschaftsminister.

© SZ vom 11.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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