Rot-Schwarz:Die Lebenslüge der Großen Koalition

SPD und CDU ist es in acht Jahren gemeinsamer Regierung nicht gelungen, den Etat zu ordnen.

Reymer Klüver

(SZ vom 26.5.2003) - Eines steht schon am Tag nach der Wahl fest: Auch in den kommenden vier Jahren wird die Finanznot die Politik des kleinsten deutschen Bundeslandes diktieren. Der Zwei-Städte-Staat Bremen dürfte auch in der neuen Wahlperiode seinen Haushalt kaum sanieren können.

Die große Koalition in Bremen hätte damit ihr ehrgeizigstes Ziel eindeutig verfehlt, mit dem sie 1995 angetreten war: Sie hatte versprochen, innerhalb eines Jahrzehnts aus dem auf Bundeshilfe angewiesenen Schuldenland Bremen wieder ein selbstständig florierendes Gemeinwesen zu schaffen.

Zehn Tage vor der Wahl hatte der bisherige Wirtschaftssenator Josef Hattig, ein CDU-Mann und früher Chef der Bremer Becks-Brauerei, die Katze aus dem Sack gelassen. Die Haushaltssanierung bis 2005 sei "nicht machbar". Bürgermeister Henning Scherf (SPD) und Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) gaben sich "not amused". Denn beide behaupteten unverdrossen - zumindest bis zum Wahlabend -, dass ihnen das Kunststück gelingen könnte. Hattigs Vorstoß zeigt aber zumindest, wie gewaltig die Herausforderungen für die neue Regierung sein werden.

Überlebenshilfe vom Bund

Im Jahre 1992 hatte das Bundesverfassungsgericht Bremen eine Haushaltsnotlage bescheinigt: Ohne Zusatzeinnahmen konnte das Land seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Ein gigantisches Sanierungsprogramm des Bundes war die Folge. 8,5 Milliarden Euro wird Bremen vom Bund erhalten haben, wenn das Programm nach zehn Jahren Ende 2004 ausläuft. Im Gegenzug musste das Land seine allzu lockere Ausgabenpolitik ändern. Und von 2005 an sollte Bremen ohne Notgroschen aus Berlin auskommen und wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Wie es jetzt aussieht, ist das nicht zu schaffen.

Die Haushaltssanierung wäre damit eine Art Lebenslüge der großen Koalition. Denn SPD und CDU hatten 1995 ihr Bündnis zum einen damit gerechtfertigt, dass die gewaltigen Sanierungsanstrengungen eine Bündelung der politischen Kräfte unumgänglich machten. Zum anderen wurde die Elefantenhochzeit mit dem fälligen Strukturwandel in Bremen und Bremerhaven begründet.

Der, so bescheinigen selbst Kritiker der Scherf-Truppe, ist erfolgreich angelaufen. Nicht mehr Schiff- und Stahlbau, auch nicht nur der Autobau beherrschen die Wirtschaftslandschaft der Stadt (wiewohl das Daimler-Benz-Werk in Bremen mit Abstand größter Arbeitgeber ist). Das Spektrum, so Wirtschaftssenator Hattig in seinem jüngsten Jahreswirtschaftsbericht, sei wesentlich breiter geworden: Arbeitsplätze sind in einer aktiven Gründerszene entstanden, im boomenden Hafen, in neuen Dienstleistungsbetrieben, im lebhaften Städtetourismus, in der Luft- und Raumfahrtindustrie und in der Nahrungs- und Genussmittelbranche.

"Sparen und Investieren" hatte die große Koalition ihr Sanierungskonzept überschrieben. Investiert wurde in Gewerbegebiete und Technologieparks, in den Straßenbau und vor allem in prestigeträchtige Projekte. So wurde die Gründung der privaten International University Bremen mit 118 Millionen Euro gestützt. Einen dreistelligen Millionen-Betrag wird auch die Beteiligung am Terminal für Super-Containerschiffe in Wilhelmshaven kosten.

Nicht alles freilich gelang den Modernisierungspolitikern. So harrt der so genannte Space-Park, ein Erlebnispark mit Einkaufszentrum auf ehemaligem Werftengelände, seiner Vollendung, weil keine Mieter für die Ladenflächen gefunden werden. 140 Millionen Euro hat die Stadt investiert. Auch die Unterstützung für den Musical-Standort Bremen erwies sich als Flop.

Allgemein reichten die Anstrengungen nicht aus, um auf dem Arbeitsmarkt einen positiven Saldo zu erzielen. Noch immer liegt die Erwerbslosenquote mit 13,7 Prozent deutlich über dem Bundesschnitt (9,8 Prozent). In den neunziger Jahren gingen im produzierenden Gewerbe 28000 Jobs verloren. Allerdings entstanden immerhin 24000 neue Arbeitsplätze, was die Auswirkungen des Strukturwandels abmilderte.

Auch beim ersten Teil des Sanierungskonzepts, dem Sparen, ist die Bilanz nach acht Jahren Rot-Schwarz gemischt. Tatsächlich gibt es kein Bundesland, das mit einem so geringen Zuwachs im konsumptiven Bereich - also beispielsweise bei Ausgaben für Personal oder im Sozialwesen - ausgekommen ist wie Bremen. Die Ausgaben stiegen in den vergangenen zehn Jahren um 4,8 Prozent, im Schnitt bei Ländern und Kommunen hingegen um 19,3 Prozent. Dennoch wuchsen die Schulden des Landes munter weiter, von 8,6 Milliarden Euro (1994) auf jetzt 9,4 Milliarden. Mit anderen Worten: Von einer Sanierung ist der Bremer Haushalt noch weit entfernt.

Vor der Wahl hatte Bürgermeister Scherf vorsichtshalber statt 2005 eine andere Zielzahl ins Gespräch gebracht: das Jahr 2020. Bis dahin laufe der Länderfinanzausgleich. Und bis dahin "werden wir nehmendes Land bleiben". Man könnte auch sagen: Noch zwei Jahrzehnte wird Bremen Hilfe brauchen.

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