Koalitionsmöglichkeiten:Rot-Rot-Grün: Option, Fantasie, Hirngespinst

Sondierungsgespräche nach Berlin-Wahl

In Berlin ist es soweit, es soll über eine rot-rot-grüne Regierung verhandelt werden (von links): Grünen-Landeschef Daniel Wesener, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und der Link-Spitzenkandidat Klaus Lederer.

(Foto: dpa)

Das Vorbild Berlin taugt nur bedingt. Doch einige Spitzengenossen befeuern das Reden über ein Dreierbündnis von SPD, Linken und Grünen auf Bundesebene sogar.

Kommentar von Christoph Hickmann, Berlin

Berlin, so sieht es derzeit aus, dürfte bald von einer rot-rot-grünen Koalition regiert werden - also jenem Bündnis, das linke Sozialdemokraten und Grüne sowie pragmatische Linkspartei-Linke schon seit Jahren herbeisehnen.

Kleiner Schönheitsfehler aus Sicht der Rot-Rot-Grün-Enthusiasten: Das Dreierbündnis wird tatsächlich nur in Berlin regieren, auf Landesebene, und nicht von Berlin aus die ganze Republik. Umso eifriger versuchen die Sympathisanten aus allen drei Parteien nun, die Berliner Landespolitik als Signal für den Bund zu deuten. Dazu aber taugt das sich anbahnende Bündnis nicht.

In der Landespolitik geht es eben nicht um die großen Streitfragen, nicht um Auslandseinsätze, Freihandel oder das Verhältnis zu Russland. Stattdessen ist hier vor allem solides politisches Management gefragt - zumal in Berlin, wo man mittlerweile ja beinahe überrascht ist, wenn irgendwas mal reibungslos funktioniert. Und bei der Berliner Linken handelt es sich um eine pragmatische Truppe, die vor Jahren in ihrer Regierungszeit mit der SPD härteste Einsparungen mitgetragen hat.

All dies trifft auf den Bund nicht zu. Dort geht es neben Auslandseinsätzen, Freihandel und dem Verhältnis zu Russland um Steuerpolitik, Hartz IV und Rente, mithin um Fragen, bei denen Linkspartei und SPD seit Jahren nicht zusammenkommen. Für Rot-Rot-Grün im Bund wäre deshalb eine ganz andere Vorbereitung notwendig.

Zwar reden rote, grüne und dunkelrote Befürworter eines Bündnisses seit Jahren miteinander, veranstalten Diskussionen und Konferenzen - doch eigentlich müssten dringend die Skeptiker miteinander ins Gespräch kommen, also die konservativen Sozialdemokraten und Grünen mit den linken Linken. Das ist in allen drei Parteien Konsens, seit 2009 Schwarz-Gelb die Wahl gewann. Passiert ist seither wenig.

Und selbst wenn sich hier bis zur Wahl in einem Jahr noch etwas tun sollte, bliebe wohl in allen drei Fraktionen ein harter Kern an Gegnern. Schon die Kanzlerwahl würde da zum Drahtseilakt. Wäre es anders, hätte sich Sigmar Gabriel von der aktuellen rot-rot-grünen Bundestagsmehrheit ja längst zum Kanzler wählen lassen können.

Warum die Spitzengenossen das Gespräch laufen lassen

Auffällig ist, dass diverse Spitzengenossen das Gerede über eine rot-rot-grüne Option trotzdem wohlwollend laufen lassen oder es sogar befeuern - statt, wie früher, möglichst rasch zu versichern, dass eher Oskar Lafontaine SPD-Ehrenvorsitzender werde, als dass man im Bund mit der Linken koaliere. Das liegt an den Erfahrungen der jüngsten Bundestagswahlkämpfe.

Weder 2009 noch 2013 hatte die SPD eine Machtoption, also eine halbwegs realistische Aussicht aufs Kanzleramt. Damit das diesmal trotz mieser Umfragewerte anders wirkt, muss Rot-Rot-Grün zumindest theoretisch eine Option bleiben, eine Fantasie, an der man sich durch den Wahlkampf hangeln kann.

Damit diese Fantasie nicht endgültig zum Hirngespinst verkommt, müsste allerdings vor allem die SPD noch ihre Werte verbessern. Laut aktuellen Zahlen würde es derzeit nicht einmal zu dritt für eine Mehrheit reichen.

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