Rot-grüne Koalitionsverhandlungen in Berlin:Schwierige Annäherung

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Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit scheint nach seinem Wahlsieg sein Ziel bald erreicht zu haben: eine rot-grüne Koalition. Doch die Verhandlungen erweisen sich als schwierig - an einigen zentralen Themen könnten sie noch scheitern.

Constanze von Bullion

Der alte Spruch von einem, der die Wahl hat und die Qual, hat jetzt Klaus Wowereit eingeholt. Der eben wiedergewählte Landeschef von Berlin muss sich entscheiden, ob seine SPD mit den Grünen regieren will oder mit der CDU. Das reine Vergnügen dürften die nächsten fünf Jahre mit keiner der beiden Parteien werden.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Volker Ratzmann (links) und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit nach zähen Verhandlungen. Die CDU scheint als Koalitionspartner aus dem Rennen zu sein. (Foto: dpa)

Wie auch immer, Wowereit drückt aufs Tempo. Am Montag will er dem Landesvorstand der SPD vorschlagen, mit wem die SPD in Koalitionsverhandlungen einsteigen soll - und abwägen, was bei den Sondierungsgesprächen herausgekommen ist.

Das dritte und letzte dieser Gespräche hat am Freitag im Roten Rathaus stattgefunden, über viele Stunden und hinter verschlossenen Türen. SPD und Grüne versuchten, einen Kompromiss zu finden bei den Themen, die sie bislang trennten: die Verlängerung der Stadtautobahn A 100, beim weiteren Ausbau des Großflughafens, beim Thema S-Bahn.

Erst am Abend kommt Wowereit heraus. Beide Seiten hätten sich bei Knackpunkten wie dem Ausbau der Autobahn A 100 angenähert, sagt er, das könne eine "tragfähige Lösung" sein. Am Montag sollen die Parteispitzen die Ergebnisse auswerten.

Es sieht also ganz so aus, als wollte Wowereit wagen, was ohnehin sein Wunsch war: Rot-Grün. Bei wichtigen gesellschaftspolitischen Themen wie Bildung und Zuwanderung, auch bei Haushaltskonsolidierung und Polizei kommen Rot und Grün miteinander zurecht.

Eine dünne rot-grüne Mehrheit

Die grüne Idee der Klima-Hauptstadt Berlin dagegen, mit energetisch sanierten Häusern und umweltfreundlicherem Verkehr, stößt bei der SPD auf mäßige Begeisterung. Wenn Häuser energetisch saniert werden, können Mieten steigen, weshalb sich die SPD seit langem um die Kontroverse drückt. Sie fürchtet eine unpopuläre Mietendiskussion.

Das Thema Energie könnte also zu den Feldern gehören, auf denen die Grünen den Rückzug antreten - um für sie Schlimmeres zu verhindern: den Weiterbau der Stadtautobahn. Wowereit will ihn, die Grünen wollen ihn keinesfalls, und sie haben sich hier so weit aus dem Fenster gelehnt, dass ein Nachgeben ohne Gesichtsverlust nicht möglich ist. Wowereit weiß das, und er weiß auch, dass Rot-Grün nur über eine dünne Mehrheit von zwei Stimmen verfügt.

Nichts wäre da so gefährlich wie ein Partner, der gedemütigt in die Regierung geht. Schluckt der linke Flügel der Grünen jetzt den Autobahnbau, könnte er das der SPD demnächst heimzahlen. Gäbe Wowereit hingegen bei der Autobahn nach, würde das nicht wenige in der SPD freuen. Dort lehnen viele die Autobahn ab.

Als Gegenleistung müssten die Grünen reichlich Zugeständnisse machen: beim Flughafenausbau, bei der S-Bahn, auch beim Wunsch, 400 neue Lehrer einzustellen. Was ausgehandelt wurde, blieb zunächst geheim.

Wohl keine große Koalition in Berlin

Das Nachsehen hat nun die CDU, die der SPD beim Sondieren eine ganze Liste von Gemeinsamkeiten präsentierte. Autobahn, Flughafenausbau, alles kein Problem, bei der Bildung jedoch streben Rot und Schwarz auseinander. Die CDU will die teilweise Verlosung von Gymnasialplätzen abschaffen und das jahrgangsgemischte Lernen, das die SPD eingeführt hat.

Auch bei der Integration liegt man weit auseinander. Fragen wie die doppelte Staatsbürgerschaft würden ohnehin auf Bundesebene geregelt, sagte Wowereit, der die Gespräche mit der CDU sachlich und konstruktiv nannte. Das Wort "Vertrauen", das er nach dem ersten Treffen mit den Grünen im Mund führte, vermied er nach dem mit der CDU.

© SZ vom 24.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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