Rot-Grün und das Steuerabkommen mit der Schweiz:Wenn Moral verkäuflich wird

Es war ein großzügiges Angebot an Steuersünder: Straffreiheit und ein stark reduzierter effektiver Steuersatz für alle, die ihr hinterzogenes Kapital nach Deutschland holen. Die Offerte kam von der rot-grünen Regierung. Heute wettern SPD und Grüne gegen das Steuerabkommen mit der Schweiz. Aus dem Prinzip von damals wird ein Vorwurf: Geldwäsche.

Nico Fried

Es war ein großzügiges Angebot an Steuersünder: Straffreiheit und ein stark reduzierter effektiver Steuersatz für alle, die ihr hinterzogenes Kapital nach Deutschland holen.

Die freundliche Offerte der rot-grünen Regierung währte von Anfang 2004 bis Ende März 2005. Ein Minister der Regierung, die damals zur Geldwäsche einlud, hieß Jürgen Trittin. Heute wettert er als Oppositioneller gegen das Steuerabkommen mit der Schweiz, obwohl die Steuersätze höher wären. Und aus dem Prinzip von damals wird ein Vorwurf: Geldwäsche.

Gebracht hat die rot-grüne Offerte seinerzeit nur etwa 1,3 Milliarden Euro, fast nichts, gemessen an viel höheren Erwartungen. Das war schlecht für die Staatskasse, erweist sich aber als gut für SPD und Grüne, die im Umgang mit deutschen Steuerhinterziehern jetzt für die Peitsche plädieren können, weil das Zuckerbrot nichts geholfen hat.

Richtig bleibt gleichwohl, dass Rot-Grün einst bereit war, einen Schaden für den Fiskus in Kauf zu nehmen, den es als Opposition nun zu verhindern trachtet. Dieser rot-grüne Wechselkurs steht durchaus exemplarisch für die schwierige Abwägung, die nun auch die Bundesregierung und die Länder vorzunehmen haben, miteinander, aber auch jeder für sich.

Es geht um die Frage, ob man lieber ganz auf Rückzahlungen verzichtet, als einen Teil zu nehmen, dafür aber mit den Steuersündern zweifelhafte Kompromisse zu schließen.

Es geht darum, ob es eine Summe gibt, die hoch genug ist, dass die Rücksicht auf ehrliche Steuerzahler der Aussicht auf Milliarden in der Staatskasse untergeordnet wird.

Es geht, simpel gesagt, um die Frage, ob Moral verkäuflich ist, zumindest portionsweise.

Finanzminister Wolfgang Schäuble hat SPD und Grüne aufgefordert, billige Polemik beiseite zu lassen. Das ist ungerecht, weil schon der bisherige Widerstand zu weiteren Konzessionen der Schweiz geführt hat.

Vom Rigorismus zum Pragmatismus

Der entscheidende Kritikpunkt von SPD und Grünen wiederum bringt die Opposition selbst in die Bredouille: Um weitere Kapitalflucht zu verhindern, verlangt sie, das Abkommen rückwirkend in Kraft zu setzen. Damit aber würde man die Straftat der Steuerhinterziehung selbst mit einem zumindest fragwürdigen Abweichen von juristischen Prinzipien bekämpfen.

Auch das wäre ein Preis, der noch zu taxieren ist. Bis zu den Landtagswahlen im Mai wird es keine Lösung geben. Danach könnte eine im Getöse um Steuersätze wenig beachtete Änderung des Abkommens den Weg weisen: Die Verteilung der Erträge zwischen Bund und Ländern steht nicht mehr im Vertrag, sondern wird ausschließlich im deutschen Gesetzgebungsverfahren geklärt.

Schäuble könnte den Ländern also mehr Geld in Aussicht stellen. Es wird natürlich immer ein unmoralisches Angebot bleiben - aber manchmal ist der Weg vom Rigorismus zum Pragmatismus nicht weit. Rot-Grün ist schon einmal in die eine Richtung gegangen - das hat den Vorteil, dass man den Rückweg schon kennt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: