Roman Herzogs Generalkritik:Hammer-Thesen für dumme Bürger

Der Alt-Bundespräsident und selbsternannte Deutschland-Reformer hält Politiker wie Bürger gleichermaßen für minderbemittelt. Rettung kann nur einer bringen, er und sein Konvent für Deutschland. Aber da irrt er gewaltig.

Thorsten Denkler, Berlin

Es wäre alles viel einfacher, wenn alle so denken würden wie der Alt-Bundespräsident und Ruck-Experte. Roman Herzog wird bald ein neues Buch auf den Markt bringen, mit dem programmatischen Titel "Mut zum Handeln" - der stark an die Vielzahl von Politiker-Büchern erinnert, die Jahr für Jahr mit rhetorischen Versatzstücken daherkommen. Da heißt es: "Wir müssen endlich", "wir dürfen nicht länger", "die Zukunft des Landes", "alles muss auf den Prüfstand".

Roman Herzogs Generalkritik: Deutschland-Reformer ohne Machtoption: Roman Herzog.

Deutschland-Reformer ohne Machtoption: Roman Herzog.

(Foto: Foto: AP)

Klar, dass solche Bücher die Menschen aufrütteln aus der Lethargie des Alltags. Es sind Bücher, die meist mit wenigen "Wahrheiten" auskommen, wie das die Autoren nennen. So ist flugs die wirtschaftliche und soziale Lage in Deutschland beschrieben, ach, noch besser, die der ganzen Welt. Sie ist nicht nur beschrieben: sie wird auch erklärt und vor allem: gelöst.

In der Bild-Zeitung, der größtmöglichen Plattform für Hammer-Thesen, hat sich Herzog jetzt zur Reformfähigkeit Deutschlands ausgelassen. Wie zu erwarten: Es steht schlecht um sie. Die Schuldigen sind schnell benannt: a) die komplette politische Kaste, b) das komplette deutsche Volk.

Die Politiker, sagt der Alt-Präsident und CDU-Mann, seien nicht charismatisch genug. Sie lösten keine Begeisterung aus und, überhaupt, wisse er nicht, ob er lachen oder weinen solle, wenn er sich das Personal der Deutschland AG so anschaue.

Und das deutsche Volk? Nun ja, wenn es zu 70 Prozent den Mindestlohn für eine gute Sache hält, dann fällt Herzog dazu nur ein, so wörtlich: "Es gibt auch ein Recht auf Dummheit."

Bleiben nur noch er, Herzog, und sein "Konvent für Deutschland", in dem Deutschlands Wirtschaftsgrößen wie Josef Ackermann, Hartmut Mehdorn oder Roland Berger sich Gedanken machen, wie dem Bürger da unten beigebracht werden kann, dass es mit den Reformen nicht einfach vorbei sein kann.

Aber das will das Volk ja nicht kapieren - es "bewegt" sich einfach nicht, moniert Herzog. Darum müsse es "mehr Netto vom Brutto" in der Tasche haben. Das würde sofort Reformbereitschaft schaffen. So einfach ist das mit dem Volk.

Oder auch nicht. Die selbsternannten Deutschland-Reformer, seien sie in einem Konvent oder in der "Initiative neue soziale Marktwirtschaft" zu finden, unterliegen einem großen Irrtum: Das Volk, das sie bräuchten, um ihre Ideen umzusetzen, gibt es nicht.

Sie gehen von einer Bürgergemeinschaft aus, in der der Einzelne gerne verzichtet, sei es auf Geld, sei es auf Sicherheit, damit es der Wirtschaft gut geht - eine Welt, in der die Notwendigkeit von Reformen am Erfolg für alle und nicht am eigenen Wohlergehen gemessen wird.

Das mag zu Zeiten des Wirtschaftswunders noch so gewesen sein. Auch da ging es zwar nicht jedem gut, aber allen immer besser. Heute ist das anders. Die Gesetze der Globalisierung zwingen den Einzelnen immer mehr, für sich selbst zu sorgen. Die Politik hat das kräftig unterstützt, die Konvent-Reformbewegung auch.

Darum heißt es heute: Hilf dir selbst! Wer dies über Jahre gepredigt und politisch befürwortet hat, der kann heute nicht erwarten, dass die Bürger Schulter an Schulter für Reformen kämpfen, die in vielen Augen nur bei einem helfen sollen: die Renditeerwartungen der Unternehmer zu erfüllen.

Es ist ja nicht so, dass die Deutschen nicht schon einiges mitgemacht hätten. Die Agenda 2010 empfinden viele als Zumutung, trotz der jetzt sichtbaren Erfolge. Wenn aber zugleich die Reichen immer reicher werden und sich diese Reichen dann auch noch über die angebliche Reformunfähigkeit der dummen Bürger beschweren, dann darf auch ein Roman Herzog kein Verständnis mehr von einem Volk erwarten, dessen Präsident er einmal war.

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