Rolf Eden im Interview:"Sicherlich habe ich Menschen getötet"

Berliner Jude, Flüchtling, israelischer Elitesoldat: Der Playboy Rolf Eden blickt auf sein bewegtes Leben zurück.

Oliver Das Gupta

Rolf Eden ist 1930 als Rolf Sigmund Sostheim in Berlin zur Welt gekommen. Nach der Machtergreifung der Nazis emigrierte die jüdische Familie nach Palästina, wo er 1948 im Israelischen Unabhängigkeitskrieg kämpfte. Wenige Jahre später tingelte Eden durch die Welt und blieb schließlich in seiner Geburtsstadt Berlin. Dort etablierte er mehrere Nachtklubs. Über die Jahrzehnte avancierte Eden zum Disco-König und kokettierte gleichzeitig mit seinem Leben als Playboy. Von seiner jüdischen Herkunft wussten bis vor kurzem nur wenige, in seinem nun bei Lübbe erschienenen Buch "Immer nur Glück gehabt" schreibt Eden offen über sein Leben.

Prolog: Die SZ bat Eden in die SZ-Redaktion zu einem Gespräch über jüdische Identität, seinem ersten dieser Art, wie er anschließend behauptet. Zu Politik äußere er sich eigentlich nie, sagt er und erzählt wenig später, wie ihn einst ein Staatsmann inspirierte. Als er sich als 17-Jähriger "Rolf Eden" nannte, dachte er an den bliblischen Garten Eden - und an den früheren britischen Außenminister und Premier Anthony Eden.

SZ: Herr Eden, Ihr Leben ist abenteuerlich verlaufen.

Rolf Eden: Sie meinen, wegen der vielen Mädels?

Nein, ich spiele auf Ihre Jugend an: Geboren als jüdischer Berliner, geflüchtet vor den Nazis, im Unabhängigkeitskrieg 1948 als Teenager bei der israelischen Elite-Einheit Palmach unter Jitzchak Rabin gekämpft. Warum haben Sie bislang nicht über Ihre Jugend gesprochen?

Ach, die ollen Geschichten ... Manchmal, wenn sich die Gelegenheit ergab, habe ich davon erzählt. Aber ich habe das nicht an die große Glocke gehängt. Verheimlicht habe ich das aber nie. Ich fliege immer zweimal im Jahr nach Israel - und meine Mädels habe ich immer mitgenommen. Und außerdem: Wenn ich alles schon früher erzählt hätte, würde heute niemand mehr mein Buch kaufen.

Wie war es für Sie als deutscher Jude 1956 nach Berlin zurückzukehren?

Sie meinen ins Land der Täter! Im Ernst: Ich habe mir damals wenig Gedanken über die alten Zeiten gemacht. Die Nazi-Verbrechen waren schrecklich, keine Frage. Aber ich hatte damit ja nichts zu tun. Mir ging es ja gut, meiner Familie auch. Meine Eltern und alle Tanten, Onkels und Omas und Opas hatten die Zeichen der Zeit erkannt und waren vor dem Krieg rechtzeitig emigriert. Wir waren Israelis geworden, die für unseren Staat gekämpft haben.

Zwei Drittel der Palmach-Mitglieder sind im Israelischen Unabhängigkeitskrieg gefallen. Kugeln pfiffen Ihnen um die Ohren, Sie schossen auf Menschen und mussten mit ansehen, wie Ihre Kameraden starben. Warum hat ein Mann, der das Leben so liebt wie Sie, freiwillig in einer Einheit für Himmelfahrtskommandos gekämpft?

Heute wäre ich der Erste, der in die andere Richtung rennt, aber damals war ich jung und naiv. Oft bin ich sogar als Erster vorangestürmt. Ich war ein tapferer Soldat und ich wollte natürlich nur zu den allerbesten Soldaten! Jeder versuchte, ein Held zu sein und jeder der kämpfen konnte, musste kämpfen. Es ging um alles oder nichts.

Haben Sie Menschen getötet?

Sicherlich habe ich das, auch wenn ich nicht direkt sehen konnte, ob ich einen getroffen habe. Krieg ist schrecklich, aber so war das eben: Wir haben geschossen, die haben geschossen. Jeder hat gehofft, dass er überlebt. Traumatisiert hat mich das trotzdem nicht.

Beruflicher Erfolg und Erfolg bei Frauen rückten bei Ihnen nach dem Krieg ins Zentrum. Welchen Stellenwert hat da für Sie Religion?

Keinen. Ich glaube nicht an diesen Quatsch, der zu einer Zeit erfunden wurde, als es noch nicht einmal Toilettenpapier gab. Die Erfinder von Religion hatten vor allem eines im Sinn: Geld verdienen.

"Wenn mir etwas Antisemitisches passieren sollte, würde ich gehen"

Rolf Eden

Rolf Eden während des Interviews in der SZ-Redaktion.

(Foto: Daniel Hofer)

Wann waren Sie zuletzt in einer Synagoge?

Ich kann mich nicht erinnern, schon mal in einer gewesen zu sein. Was soll ich denn da? Nur, weil ich in eine jüdische Familie reingeboren wurde, muss ich da doch nicht hingehen. Früher wäre ich da vielleicht hingegangen, weil man sich versammelt hat, um sich zu unterhalten. Aber inzwischen ist das völlig überholt: Da trifft man seine Kumpels in Cafés und Klubs. Die Feste feiere ich auch nicht. Warum soll man an Yom Kippur fasten? Völliger Schwachsinn, genauso wie das koschere Essen.

Weil das nichtkoschere Essen so delikat ist?

Auch. Denken Sie an das arme Schwein! Warum soll es nicht gegessen werden? Vor allem stört mich, dass da ein Rabbiner kommt und macht Blablablub und dann ist das Essen plötzlich koscher. Aber ich finde es trotzdem richtig, dass neugeborene Jungs beschnitten werden.

Weil es zum Kern der jüdischen Identität gehört?

Mir ist egal, warum die das vor 5000 Jahren festgelegt haben. Aber es gibt einen guten medizinischen Grund für eine Beschneidung: Es ist einfach hygienischer. Frauen haben das viel lieber, glauben Sie mir.

Juden und Muslime pochen auf der einen Seite auf die rituelle Beschneidung, die andere Seite argumentiert mit dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Haben Sie eine Erklärung, warum die Debatte um Beschneidungen in Deutschland so unversöhnlich tobt?

Ich finde das idiotisch. Lasst doch jeden machen, was er will.

Sind Ihre Söhne beschnitten?

Nein, aber das holen wir noch nach! (lacht). Spaß beiseite: Ich habe ein phantastisches Verhältnis zu allen meinen Kindern.

Wurden Sie jemals mit Antisemitismus konfrontiert?

In meinem ganzen Leben habe ich auch noch keine Nazis kennengelernt, weder alte, noch neue. Ich habe aber auch nicht groß rumgebohrt, was jemand im Krieg gemacht hat. Ich habe auch Kumpels, die Mahmud oder Achmed heißen. Aber was soll ich mit denen über Religion reden? Für mich zählte schon immer das Hier und Jetzt. Und die Zukunft. Mein Rat: Weniger beten, aber dafür die schönen Dinge im Leben genießen. Dann hätten es alle besser.

Antisemiten ist es egal, ob ein Jude praktiziert oder nicht.

Ich möchte so etwas nicht hören und nicht lesen. In der Zeitung interessieren mich nur die Nachrichten, die gut sind. Ich bin ein positiver Mensch. Und mir hat noch niemand wegen meiner Herkunft gedroht.

Wie gefährlich es ist, Jude in Berlin zu sein, musste der Rabbiner erfahren, der vor wenigen Wochen vor den Augen seiner Tochter zusammengeschlagen wurde. Blenden Sie das auch aus?

Ja, der arme Kerl. Wenn mir etwas passieren sollte, würde ich nach Israel gehen. Aber ich will nicht weg. Es wäre so schade. Ich liebe Berlin, ich liebe Deutschland. Und die deutschen Frauen sind so schön! Wollen wir nicht lieber über Frauen als über Politik reden?

Zu spät, Herr Eden, unser Gespräch ist zu Ende. Letzte Frage: Wie lautet Ihr hebräischer Lieblingssatz?

לקק לי את התחת. Das heißt: "Leck mich am Arsch."

Epilog: Nach dem Gespräch sinniert Rolf Eden noch über Klaus Wowereit, das iranische Atomprogramm und die beste Currywurst Berlins. Dann regt er an, sich in 20 Jahren noch einmal zu verabreden. Denn bis 2032 bleibe er der Welt mindestens erhalten. Und danach? "Mein Bauchgefühl sagt: Es kann nur noch schöner werden."

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