Roland Koch und die Kriminalstatistik:Hardcore-Image mit Schönheitsfehler

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Bei dem TV-Duell gegen SPD-Konkurrentin Ypsilanti hatte Roland Koch zu einem Thema wenig zu sagen: zu kriminellen Jugendlichen. Das Schweigen hat einen Grund. Wie der hessische Ministerpräsident und seine Regierung mit unliebsamen Zahlen zur inneren Sicherheit umgehen.

Roland Preuß

Auf sein Kernthema kriminelle Jugendliche ging Roland Koch kaum ein. Politiker müssten auch den Mut haben, "schwierige Themen in der Öffentlichkeit anzusprechen", sagte der hessische Ministerpräsident am Sonntagabend im Fernsehduell mit seiner Herausfordererin von der SPD, Andrea Ypsilanti. Viel mehr teilte der CDU-Politiker zu seinem großen Wahlkampfknaller nicht mit.

Roland Koch hat bei dem TV-Duell auf sein Lieblingsthema Jugendkriminalität verzichtet - aus gutem Grund. (Foto: Foto: AP)

Das Thema hat sich mittlerweile auch für Koch als schwierig erwiesen, weil mehr und mehr Fakten sein Image als Hüter der inneren Sicherheit anknacksen. Vergangenen Montag erst hatte die Süddeutsche Zeitung mit Berufung auf Berechnungen des Hannoveraner Kriminologen Christian Pfeiffer berichtet, dass gerade in Hessen die Jugendgewalt seit Kochs Amtsantritt 1999 so stark gestiegen war wie in kaum einem anderen Bundesland.

So begingen im Jahr 2006 die 14- bis 18-Jährigen gut 66 Prozent mehr schwere und gefährliche Körperverletzungen als noch 1999. Im Bundesgebiet betrug der Anstieg 27,5 Prozent. Bei der Jugendgewalt insgesamt verzeichnet Hessen eine Zunahme von gut 35 Prozent, das restliche Bundesgebiet dagegen nur 12,4 Prozent.

Die Reaktionen aus Hessen waren vielfältig, ein klares Dementi war nicht darunter. Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Christean Wagner, bezeichnete die Statistik Pfeiffers sogleich als "Versuch, unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Neutralität und angeblicher Expertenmeinung, SPD-Parteipolitik zu betreiben". Pfeiffer war unter Gerhard Schröder niedersächsischer Justizminister gewesen.

Landespolizeipräsident Norbert Nedela und der Chef des Landeskriminalamts, Peter Raisch, nannten die Zahlen "nicht nachvollziehbar", ihre eigenen Berechnungen bestätigten dann aber den Trend: Die Jugendgewalt in Hessen ist seit 1999 überdurchschnittlich stark gestiegen.

Allerdings nimmt Raisch eine andere Bezugsgröße, nämlich lediglich den Anteil der Jugendlichen an allen Tätern; und der ist von 1999 bis 2006 von 15,6 auf 20,3 Prozent gestiegen. Das klingt weit weniger dramatisch. Angesichts eines unleugbaren Anstiegs sprach Koch von Hessen als einem Land, "das heftig mit Kriminalität ringen muss".

Welche Zahlen zur Jugendkriminalität stimmen nun aber? Der renommierte Konstanzer Kriminologe und Strafrechtsprofessor Wolfgang Heinz hat die Aussagen Pfeiffers nun durch eigene Berechnungen auf Grundlage der offiziellen Kriminalstatistik überprüft. "Die Pfeiffer-Daten stimmen", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Heinz hatte vorvergangene Woche eine Resolution gegen schärfere Jugendstrafen formuliert, die fast 1000 Fachleute unterzeichnet haben. Er findet die hessischen Berechnungen seinerseits "seltsam".

Roland Koch und sein Innenminister Volker Bouffier konzentrieren sich mittlerweile auf andere Erfolge der inneren Sicherheit in Hessen. In einer eilig einberufenen Pressekonferenz verkündete Bouffier Ende vergangener Woche aufgrund vorläufiger Zahlen einen Rückgang der Straftaten in Hessen im vergangenen Jahr um 1,5 Prozent und Koch wirbt damit, dass in seiner Amtszeit wenigstens Wohnungseinbrüche und Straßenkriminalität, zu der Diebstahl aus Autos und Raub zählen, stark zurückgegangen sind. Das freilich, zeigt die Kriminalstatistik, ist in ganz Deutschland so.

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