Roland Jahn fordert weitere Aufarbeitung:"Wir müssen die DDR-Diktatur besser begreifen"

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Kämpfer für die "ewige Aufklärung": Roland Jahn hat die Änderung des Stasiunterlagen-Gesetzes begrüßt, wonach ein größerer Personenkreis auf eine frühere Stasi-Mitgliedschaft überprüft werden kann. Dabei soll niemand diskreditiert werden, sagte er der "Süddeutschen Zeitung" - es gehe ihm vielmehr um "ein Klima der Versöhnung".

Franziska Augstein und Constanze von Bullion

Im Streit über den Umgang mit den Stasi-Akten hat der Bundesbeauftragte Roland Jahn zum Tag der Deutschen Einheit an die Politik appelliert, sich weiter zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte zu bekennen. "Die Notwendigkeit der Aufklärung" werde "es ewig geben", sagte der Chef der Stasiunterlagen-Behörde der Süddeutschen Zeitung. "Wir müssen die DDR-Diktatur begreifen. Je besser das gelingt, umso besser können wir Demokratie gestalten", betonte er. Seine Behörde werde es daher so lange geben, wie sie Aufgaben zu erfüllen habe.

Roland Jahn, der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU), sieht noch immer Aufklärungsbedarf über die DDR-Geschichte. (Foto: dapd)

Jahn begrüßte die Änderung des Stasiunterlagen-Gesetzes, die Union und FDP am Freitag im Bundestag beschlossen hatten. Die Regelüberprüfung von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes wird darin bis 2019 verlängert. Der Personenkreis, bei denen der Arbeitgeber Einsicht in Stasiakten nehmen kann, wird wieder ausgeweitet. 2006 hatte der Bundestag ihn eingeschränkt. Außer Abgeordneten, Richtern und Behördenleitern können künftig auch Staatsdiener in einfachen Leitungsfunktionen überprüft werden, etwa bei der Polizei. Das Gleiche gilt für ehrenamtliche Bürgermeister. Bei konkretem Verdacht kann der Arbeitgeber alle Dienstgrade überprüfen.

"Wir wollen keinen Schlussstrich", sagte die CDU-Abgeordnete Beatrix Philipp. Zahlreiche Stasifälle im öffentlichen Dienst des Landes Brandenburg hätten gezeigt, dass eine verstärkte Überprüfung von Staatsdienern nötig sei. Nach Medienberichten über belastete Mitarbeiter in Justiz oder Polizei hätten Vorgesetzte und Minister oft keine Handhabe, die Stasiakten ihrer Mitarbeiter zu überprüfen. Dies war zuletzt nur noch bei Mitarbeitern in Leitungsfunktionen möglich. Das wird sich nun ändern..

SPD, Grüne und Linkspartei stimmten der Gesetzesänderung nicht zu. Eine wachsende Zahl von Staatsdienern zu überprüfen und "latentes Misstrauen" in einem Gesetz festzuschreiben, lehne er ab, sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD): "Über 20 Jahre nach dem Fall der Mauer ist diese Regelung unverhältnismäßig."

Der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland nannte es "verfassungswidrig", im Stasiunterlagen-Gesetz festzuschreiben, dass frühere Stasi-Mitarbeiter aus der Jahn-Behörde versetzt werden sollen. Sie sind nun, so der Gesetzestext, an einen gleichwertigen Arbeitsplatz in einer anderen Bundesbehörde zu versetzen, "wenn ihnen dies im Einzelfall zumutbar ist".

Diese Neuregelung zielt auf etwa 45 ehemalige Stasi-Mitarbeiter, die der Bundesbeauftragte Jahn aus seinem Haus in andere Behörden versetzen will. Nach anfänglichem Zögern haben verschiedene Bundesbehörden signalisiert, 19 dieser Mitarbeiter übernehmen zu können, mit ihren Planstellen. Ob die Betroffenen zustimmen, ist fraglich, die meisten haben angekündigt, gegen eine Versetzung zu klagen.

Jahn selber betonte in der SZ, es solle "niemand diskreditiert" werden, ihm gehe es um "ein Klima der Versöhnung". Er könne jedoch "eines nicht ausblenden: Die haben alle einen Eid geschworen auf eine Organisation, die zur Unterdrückung der Bevölkerung da war."

© SZ vom 01.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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