Röslers Abschiedsrede auf dem FDP-Bundesparteitag:Nackt auf der Friedrichstraße

FDP Bundesparteitag

Seine Abschiedsrede dauerte keine halbe Stunde: Der scheidende Parteichef Philipp Rösler

(Foto: dpa)

Es hätte die Rede seines Lebens werden können. Stattdessen macht Philipp Rösler mit einem nicht mal halbstündigen Vortrag klar, warum er die FDP nicht hat retten können. Und dann brüllt auch noch Brüderle.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Der Applaus ist kurz, keine drei Minuten. Viele stehen. Einige bleiben sitzen, die Hände im Schoß. Philipp Rösler steht auf der Bühne auf dem Parteitag in Berlin. Er verneigt sich knapp, ganz Soldat. Eine Umarmung mit seinem Freund und Generalsekretär Patrick Döring. Ein distanzierter Handschlag mit FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle. Rösler setzt sich, der Applaus versiegt.

"Es war mir eine Ehre, Ihr Vorsitzender zu sein." Mit dem Satz beendet Rösler seine kurze Karriere als Parteichef der FDP. Es ist Röslers Abschiedsrede, die die Delegierten auf diesem Sonderparteitag eher pflichtschuldig als begeistert beklatscht haben. Wie auch. Rösler ist der Vorsitzende, unter dem die Partei erstmals aus dem Bundestag geflogen ist. Eine Schmach, die historisch immer an ihm kleben wird.

Erst artig bedankt, dann kommt die Schelte

Es hätte die Rede seines Lebens werden können. Eine Rede voller Demut vor diesem Ergebnis. Stattdessen bedankt er sich artig, übernimmt ganz allgemein die Verantwortung - ohne aber seine eigene konkret zu benennen. Und hält sich vor allem mit Medienschelte auf.

Eine liberale Partei in Deutschland werde gebraucht, beginnt Rösler. Es folgt eine lange Passage des Dankes. An die Mitarbeiter in der ehemaligen Bundestagsfraktion und in der Partei. Sie immerhin spricht er frei: "Das Ergebnis ist niemals Ergebnis eurer Arbeit, sondern ist politisch zu suchen."

Bevor er mit dieser politischen Suche beginnt, kommt der Dank an "einige" Kolleginnen und Kollegen im Parteivorstand. An einige nur. Er nennt allein Patrick Döring. Da spricht einer, der sich offenbar geschnitten fühlt.

Aber zu den Ursachen. Wer erwartet, Rösler beginne die Suche bei sich selbst, wird enttäuscht. Die Ursachen für die Wahlniederlage lägen im Jahr 2009 "und in den Jahren davor", sagt er. Das war die Zeit von Guido Westerwelle. Die Versprechen seien zu groß gewesen, sagt Rösler. Er meint die Steuersenkungen, die Westerwelle damals in Aussicht stellte. Ein anderes Thema hatte Westerwelle nicht. "Wir dürfen nie wieder nur ein großes, starkes Thema haben! Das ist zu wenig für ein liberale Partei!" Hier bekommt er erstmals starken Applaus.

Eine Geschichte voller Missverständnisse

Ok, das war Westerwelle. Und er selbst? "Es ist mir nicht gelungen, das, was ich damals schon gesehen und angesprochen habe, zu ändern." Und dann sei er auch noch missverstanden worden. Er habe im Mai 2011, als er gewählt wurde, dem Gefühl Ausdruck gegeben, "dass wir den Menschen etwas liefern müssen". Er sei aber auf die Formel reduziert worden, er werde jetzt liefern. Und alle hätten gedacht, jetzt kämen sie doch die Steuersenkungen. Kamen sie aber nicht.

Rösler: "Das tut mir am meisten weh. Das können sie mir glauben. Dass ich Ihre Erwartungen nicht erfüllen konnte, die auch meine Erwartungen gewesen sind."

Vielleicht war das mit Rösler und dem Parteivorsitz und den Medien, vielleicht war das alles ein großes Missverständnis.

Nackt auf der Friedrichstraße. Mit diesem Bild will er seinen Delegierten zeigen, wie es ihm als Parteichef so ergangen ist. Wenn er sage, er wolle mal ohne Jackett über die Friedrichstraße gehen, dann werde von irgendwem an die Medien durchgestochen, der Rösler wolle nackt über die Friedrichstraße gehen. Wenn er dann sage, er wolle gar nicht nackt auf der Friedrichstraße spazieren gehen, dann heiße es, der Rösler sei doch nicht so modern, wenn er jetzt nicht nackt über die Friedrichstraße gehen wolle. Dabei hatte "ich nie vor, nackt über die Friedrichstraße zu laufen".

Er beendet diese Passage mit einer Schelte der Führungsmannschaft: "Ich hätte mich über ein bisschen mehr Unterstützung aus dem Team gefreut", sagt er. Seine eigene persönliche Verantwortung benennt er nicht. Es sind nur Allgemeinplätze. Es sei ihm nicht gelungen, aus den unterschiedlichen Charakteren ein starkes Team zu formen. Es sei ihm "nicht gelungen, die inhaltliche Kehrtwende hinzubekommen".

Das war es. Zur Erinnerung. Rösler war Parteivorsitzender. Im Amt scheint er aber nur ein Opfer von lauter Verirrten gewesen zu sein.

Brüderle benennt Fehler - und kritisiert die Medien

Rainer Brüderle geht während der Aussprache ans Pult. Eine Rede des Spitzenmannes ist nicht vorgesehen im Parteitagsprogramm. Immerhin er benennt - anders als Rösler - die gröbsten Fehler. Westerwelles Rede von der spätrömischen Dekadenz, Röslers Ausdruck von der "Anschlussverwendung" für Schleckerfrauen. Der schlecht ausgehandelte Koalitionsvertrag von 2009. Der Mitgliederentscheid zum Euro, der die Partei eher gespalten als versöhnt habe. Und ja, auch die Zweitstimmenkampagne in der letzten Woche vor der Wahl. "Das war ein Fehler."

Aber auch Brüderle kann nicht aus seiner Haut. Wesentlich mehr Platz nimmt auch beim ihm die Medienschelte ein. "Es gab in Teilen der Öffentlichkeit eine Vernichtungssehnsucht gegenüber der Partei und meiner Person", sagt er. Und: "Es gab einen öffentlich geschürten Hass gegen die FDP."

Später brüllt er dann wieder. Holzt gegen die große Koalition als hätte es eine Wahlniederlage nicht gegeben. Die Koalitionsverhandlungen hätten ihn an das "Zentralkomitee der SED" erinnert. Die FDP habe die Union in der Regierung besser gemacht. Die SPD mache die Union "teuer, sauteuer!" Das sei "Veräppelung im Quadrat". Nur das Wort "Sozialismus" fehlte diesmal.

"Wir lassen uns unsere Freiheit nicht nehmen. Wir lassen uns unsere Ehre nicht nehmen. Ich habe mich bei meiner Basis, meinem Kreisverband Mainz zurückgemeldet."

Vor einiger Zeit hätte Brüderle einen Parteitag mit seiner Brachialrhetorik die Halle zum Kochen gebracht. Diesmal dauert der Applaus nur Sekunden. Rösler und Brüderle, sie sind jetzt Vergangenheit.

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