Rio de Janeiro: Polizei gegen Drogenkartelle:"Das ist Krieg"

In Rio de Janeiro eskaliert der Kampf zwischen der Polizei und den Drogenkartellen. Der Veranstaltungsort der Fußball-WM 2014 und der Olympischen Spiele 2016 erstarrt in Angst und Schrecken.

Peter Burghardt

Im Kino tobt die Schlacht um Rio de Janeiro schon seit Wochen. Mehr als zehn Millionen Brasilianer haben den zweiten Teil des Films "Tropa de Elite" gesehen, "Elitetruppe"; die Fortsetzung handelt wie die erste Folge vom Spezialkommando Bope und seinen Invasionen in Rios Armenvierteln. Die Wirklichkeit schien zuletzt friedlicher geworden zu sein, doch nun ist der Kampf mit den Drogendealern wieder entbrannt und versetzt den Veranstaltungsort von Fußball-WM 2014 und Olympia 2016 in Angst und Schrecken. Seit Samstag bekriegen sich Militärpolizei und Verbrecher, bei Schießereien gab es in vier Tagen 23 Tote. Die meisten von ihnen waren sogenannte Traficantes, Rauschgifthändler, aber auch Unbeteiligte geraten zwischen die Fronten. Es geht um die Kontrolle der Cidade Maravilhosa, der Wunderbaren Stadt.

Policemen take position during operation at Jacarezinho slum  in Rio de Janeiro

"Wie in jedem Krieg muss man Gebiete erobern, das tun wir", sagt Sérgio Cabral, Gouverneur von Rio de Janeiro: Polizisten gehen in einem Armenviertel der Stadt gegen Drogengangs vor.

(Foto: REUTERS)

Begonnen hatte die neueste Auseinandersetzung am Wochenende, als Traficantes mit Brandbomben ein Panzerfahrzeug der Sondereinheit Bope anzündeten und sich mit den Polizisten beschossen. Das Duell ereignete sich in Vila Cruzeiro, einer von 1000 Favelas von Rio. Mindestens eine Million Menschen leben in den verschachtelten Siedlungen, oft in Sichtweite der reichen Stadtteile wie Ipanema, Leblon oder Botánico. In vielen Favelas bestimmt eine kriminelle Minderheit das Geschehen - und der Staat hält sich fern. Es folgten Angriffe auf Wachen und schießwütige Razzien der Polizei. Banden attackierten außerdem Zivilisten, auch auf der Autobahn Línea Vermelha zum internationalen Flughafen. Linienbusse und Autos gingen in Flammen auf. "Das ist ein Krieg", sagte Gouverneur Sérgio Cabral. "Und wie in jedem Krieg muss man Gebiete erobern, das tun wir."

Als Anlass der Gewalt gilt vor allem der Versuch der Regionalregierung, weitere Favelas zu besetzen und die Drogenbarone zu vertreiben. In 14 Konfliktgebieten hat Rios Verwaltung in den vergangenen zwei Jahren die Friedenseinheit UPP stationiert und in Infrastruktur investiert, vorausgegangen waren schwere Gefechte. In manchen Bereichen wurde es deutlich ruhiger. Bald sollen auch besonders unzugängliche Gegenden wie die Favelas Rocinha, Vidigal und Complexo do Alemao in den Hügeln gestürmt werden.

Dort herrschen die Drogenkartelle Comando Vermelho (Rotes Kommando) und Amigos dos Amigos (Freunde der Freunde). Angesichts der Bedrohung durch die Ordnungshüter haben sich die Erzfeinde offenbar fürs Erste verbündet. Gesteuert werden viele ihrer Aktionen aus dem Gefängnis, in Zellen war das Comando Vermelho einst entstanden. Mehrere Anführer sollen jetzt in abgelegene Haftanstalten verlegt werden.

Gesteuert aus dem Gefängnis

Cabral aktivierte 17500 Beamte und bat Präsident Luiz Inácio Lula da Silva um Hilfe. Die Marine leistet Beistand. Allerdings sind die Traficantes so gut bewaffnet wie die Armee. Im vergangenen Jahr holten sie mit großkalibrigen Gewehren einen Hubschrauber vom Himmel. Auch ist die Polizei oft korrupt und skrupellos, die Uniformierten töten regelmäßig Unschuldige, Menschenrechtler klagen über soziale Säuberungen. Dazu wüten gnadenlose Milizen, viele geleitet von vormaligen Polizisten. Bei den Operationen in 27 Favelas erschossen die Behörden gerade 21 mutmaßliche Traficantes, nahmen 150 Verdächtige fest und stellten Waffen sicher.

Die Reaktionen der Drogenclans seien "Akte der Verzweiflung", glaubt Gouverneur Cabral. "Die Delinquenten wollen Panik auslösen und die Gesellschaft zum Rückzug zwingen." Sein Sicherheitsmann José Mariano Beltrame forderte die Bevölkerung auf, ruhig zu bleiben. "Rio kann nicht die Gelegenheit verpassen, dieses Problem zu lösen."

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