Rheinland-Pfalz:Julia Klöckner - die strahlende Verliererin

Rhineland-Palatinate Holds State Elections

Klöckner nach der Wahlniederlage im März.

(Foto: Getty Images)

Die Mainzer CDU-Chefin ist nach der Wahlniederlage angezählt. Und auch den eigenen Leuten geht sie teilweise schwer auf die Nerven.

Von Susanne Höll

Das ist kein schöner Tag für Julia Klöckner. Die CDU-Fraktionschefin im Mainzer Landtag stellt ihre neue Führungsmannschaft vor, in einem engen, stickigen Raum, wo sich eine Handvoll Journalisten auf die Füße tritt. Bei der SPD, die am Mittwoch zur gleichen Zeit in einer schicken Bar ihre Regierungsmannschaft präsentiert, drängen sich Dutzende Reporter. Klöckner, gescheiterte Möchtegern-Regierungschefin von Rheinland-Pfalz, will den Zusammenhalt in ihrer Fraktion loben. Das mag jedoch niemand genauer wissen, stattdessen Fragen nach ihrer Zukunft. Klöckner legt sich nicht fest: "Ich bin für fünf Jahre gewählt und mache meine Arbeit mit Freude."

Die wird aber alles andere als ungeteilt sein, die 43-Jährige steckt in einer schwierigen Lage. Denn Klöckner hat mit der Landtagswahl auch an Autorität in den eigenen Reihen verloren. "Bis zum 13. März war sie unangefochten. Das hat sich geändert", sagt jemand, der die Mainzer CDU-Verhältnisse gut kennt. Mit enormem Selbstbewusstsein und großem Aplomb machte Klöckner Wahlkampf und präsentierte sich auf Großplakaten schon als neue Ministerpräsidentin. Dann kamen die Flüchtlinge, der Kurs von Kanzlerin Angela Merkel verstörte viele CDU-Wähler, sie liefen über zur AfD.

Dazu machten Klöckner und ihre Wahlkampfberater selbst Fehler. Den in der Not erdachten Plan "A2" zur Begrenzung der Zuwanderung war nicht nur ein Affront gegen die Kanzlerin. Es kapierte ihn auch kein Mensch. Im Persönlichkeits-Wettlauf mit Malu Dreyer rutschte Klöckner Stück um Stück zurück: Die neue und alte Ministerpräsidentin strahlte die in Rheinland-Pfalz hochgeschätzte Solidität und Harmoniekraft aus. Bei Klöckner wusste man nicht immer, ob sie das Wohl des Landes im Blick hat oder vor allem die eigene Ambition.

"Die CDU ist keine One-Woman-Show"

Das sehen inzwischen auch etliche Christdemokraten so. Bis zum 13. März war ihnen allen kein kritisches Wort über die Spitzenkandidatin zu entlocken. Nun gehen einige im Schutz der Anonymität mit der Vorsitzenden ins Gericht. Zwar wirft Klöckner niemand vor, dass sie den Sieg vergeigt habe. Das war die Kanzlerin, da sind sich alle einig. Dafür heißt es, sie müsse Partei und Fraktion künftig besser einbinden, auf Ratschläge hören, Eigenmächtigkeiten zügeln und ihren Ehrgeiz auch. "Die CDU ist keine One-Woman-Show", lautet der Befund.

Da schwingt auch viel Enttäuschung mit. Etliche rheinland-pfälzische CDU-Politiker hatten gehofft, nach einem Vierteljahrhundert wieder Regierung und Ämter zu übernehmen, Minister zu werden, Staatssekretär oder sonst einen Posten zu bekommen. Wäre das Wahlergebnis anders ausgefallen, würde sich kein Christdemokrat über Klöckner beklagen.

Und doch spricht aus der Kritik mehr als Verbitterung. Klöckner polarisiert. Und den Leuten, auch ihren eigenen, kann sie hin und wieder schwer auf die Nerven gehen. Ein Wohlmeinender aus der Bundes-CDU sagt: "Bei ihr ist vieles immer einen Tick zu viel. Bei ihrer Leutseligkeit, ihrem Tempo, ihren Attacken." Ein anderer Politiker, der sie seit Jahren kennt, attestiert ihr bei aller Sympathie einen Hang zu Affekthascherei und zu medialer Inszenierung. Sie selbst sagt: "Ich glaube, jeder muss immer wieder an sich arbeiten. Ich auch. Wichtig ist, authentisch und bei sich zu sein. Am Ende geht es darum, sich nicht zu verbiegen." Das klingt nicht so, als würde man alsbald eine andere Julia Klöckner erleben.

Bei der CDU gibt es zur Zeit niemanden, der ihren Job machen könnte

Und sie bleibt in der Politik, trotz alledem. Auch weil es in Mainz niemanden gibt, der ihren Job machen könnte. Die, die nun ihr strenges Regime beklagen, dürften sich daran erinnern, dass ihr bisweilen burschikoser Führungsstil Ordnung in die über Jahrzehnte verlotterte Landes-CDU gebracht und sie zu einer seriösen Opposition geformt hat. Aber ihr Nimbus hat gelitten, keine Frage. Sie muss neues Vertrauen gewinnen, vor allem unter den eigenen Leuten.

Klöckner redete nach Ostern mindestens eine Stunde mit jedem ihrer 34 Fraktionskollegen, führte unangenehme Gespräche mit Mitarbeitern, von denen sich die CDU im Landtag wegen geringerer Einnahmen trennen muss. Die Koalitionsverhandlungen und den Bündnisvertrag der künftigen Ampel-Partner SPD, FDP und Grüne hat sie öffentlich bislang mit keinem Wort kommentiert. Sie behält es sich für ihre Antwort auf die Regierungserklärung von Wieder-Ministerpräsidentin Dreyer vor. Klöckner ist abgetaucht, höhnt deshalb die SPD.

Das ist wohl auch besser so. Sie muss sich darauf gefasst machen, von den Koalitionären als beleidigte Leberwurst bezeichnet zu werden. SPD-Landeschef Roger Lewentz stimmte diesen Chor schon an. "Politischer Hochmut kommt vor dem Fall", ließ er auf einem Parteitag der Sozialdemokraten die CDU-Kollegin wissen. Von Mittwoch an wird Klöckner Oppositionschefin im Mainzer Landtag sein, eine Tatsache, die alle Ampel-Parteien ohne Häme begrüßen. Im Fall einer großen Koalition wäre nämlich der AfD-Fraktionschef Uwe Junge Oppositionsführer gewesen, für die traditionellen Parteien eine sehr unangenehme Vorstellung. Klöckner traut man es zu, es sowohl mit der neuen Regierung als auch den Rechtspopulisten aufzunehmen.

Niemand hat bislang ein Patentrezept zum Umgang mit der AfD

Die Doppelaufgabe dürfte allerdings eine schwierige Sache werden. Die AfD-Spitze in Rheinland-Pfalz präsentiert sich nationalkonservativ, meidet rechtsradikale Töne. Niemand in der Union oder sonst wo hat bislang ein Patentrezept zum Umgang mit dieser Partei gefunden. Und auch die neue Regierung wird Klöckner und der CDU die Opposition schwer machen, zumindest am Anfang und dann, wenn die Zusammenarbeit der drei Parteien einigermaßen klappt.

Die große landespolitische Schwachstelle der SPD war jahrelang die Haushaltspolitik mit verschleuderten Millionen in Unsinnsprojekten sowie die im Land seit Langem beklagte marode Verkehrsstruktur. Der künftige Wirtschaftsminister und Vize-Regierungschef Volker Wissing von der FDP, zuständig auch für Straßen und Brücken, hat größtes eigenes Interesse, diese Missstände abzustellen.

Also fünf weitere lange Jahre Opposition für Klöckner? Einige in der CDU sagen, sie wüssten nicht, ob die Chefin bis 2021 bleibt. Für den Posten als Vize-Bundesvorsitzende wird sie sich im Spätherbst erneut bewerben. Viele, so sagt sie, hätten sie dazu ermuntert. Offen ist aber, ob sie bei der nächsten Landtagswahl noch einmal antreten will und darf. Einer aus der Landes-CDU sagt: "Wer für uns dann ins Rennen geht, wird erst in drei Jahren entschieden." Nur, wenn Klöckner nicht ein drittes Mal antritt, dann wäre die Partei ziemlich kopflos.

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