Proteste in Syrien:Assad stellt Reformen in Aussicht

In Syrien gehen so viele Menschen wie nie auf die Straße und protestieren gegen ihren Präsidenten. Der reagiert zunächst mit Härte, um dann Reformen anzukündigen. Indes beginnt in Ägypten die Aufarbeitung des alten Regimes: Die ehemalige Regierungspartei ist aufgelöst.

Der syrische Präsident Baschar al-Assad hat die bevorstehende Aufhebung des seit 1963 geltenden Ausnahmezustands angekündigt. "Jene Gesetze, die es ermöglichen, den Ausnahmezustand aufzuheben, sollten nächste Woche vorliegen", sagte er in einer Ansprache auf einer Regierungssitzung, die vom staatlichen Fernsehen übertragen wurde.

Life in Damascus

Noch werden in Damskus Flaggen mit dem Bild des Präsidenten verkauft - doch Baschar al-Assad ist nicht unumstritten im Land.

(Foto: dpa)

Zugleich betonte Al-Assad die Notwendigkeit politischer Reformen, darunter neuer Parteien-, Demonstrations- und Mediengesetze. "Die Wünsche der Menschen müssen für diese Regierung im Zentrum stehen", sagte er.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sieht in einer Aufhebung des Ausnahmezustands nur einen Schritt. Es müssten "umfassende politische Reformen und der Respekt der Menschen- und Bürgerrechte, zu dem sich Syrien international verpflichtet hat" folgen. "Entscheidend sind jedoch nicht Ankündigungen, sondern Taten. Allein daran werden wir die syrische Führung messen", erklärte Westerwelle laut einer in Berlin verbreiteten Mitteilung.

Al-Assad hatte zu Beginn der ersten Sitzung des von ihm umgebildeten Kabinetts gesprochen. Es gehe darum, "die Kluft zwischen dem Staat, seinen Institutionen und seinen Bürgern zu schließen", schärfte er den Ministern ein. Die Menschen hätten "Anliegen und Forderungen", die es zu berücksichtigen gelte. Darüber müsse ein "nationaler Dialog" geführt werden. Die Überlegungen sollten auch ein - nicht näher konkretisiertes - "Mehrparteienprinzip" einschließen.

Derzeit ist die "führende Rolle" der allein herrschenden Baath-Partei in der syrischen Verfassung festgeschrieben. Der Präsident ging auch auf die Demonstrationen für mehr Demokratie und Freiheit ein, bei deren Niederschlagung die Sicherheitskräfte nach Schätzung von Menschenrechtsaktivisten bis zu 250 Menschen getötet haben. "Wir betrachten sie alle als Märtyrer, ob sie nun Zivilisten, Polizeibeamte oder Armeesoldaten waren", sagte Al-Assad. "Blut, das in Syrien vergossen wurde, schmerzt jeden Syrer."

Die Ansprache fiel nach Ansicht von Beobachtern zurückhaltender und versöhnlicher aus als Al-Assads Rede vor zweieinhalb Wochen im syrischen Parlament. Dennoch blieb unklar, wie weit die in Aussicht gestellten politischen Reformen eine echte Demokratisierung oder nur eine weitere Variante der strikten Lenkung von oben anpeilen.

Auch wird befürchtet, dass die geplanten Anti-Terror-Gesetze, die den Ausnahmezustand ablösen sollen, weiterhin nahezu unbeschränkte Vollmachten für den diktatorischen Sicherheitsapparat vorsehen werden. Auch die letzte Regierungsumbildung fiel eher kosmetisch aus.

Tausende Menschen demonstrierten indes am Samstag in der nordwestsyrischen Stadt Banias für mehr Freiheit und Demokratie. Der Protest entwickelte sich aus dem Begräbnis für einen 40-jährigen Mann, der an den Schussverletzungen starb, die ihm Sicherheitskräfte bei einer Demonstration vor knapp einer Woche zugefügt hatten, berichteten Aktivisten in der Stadt. Auch Parolen gegen die herrschende Baath-Partei wurden gerufen. Die Sicherheitskräfte griffen diesmal nicht ein.

Mubaraks Patei verboten

Es war eine der wichtigsten Forderungen der ägyptischen Protestbewegung: Der Oberste Verwaltungsgerichtshof in Kairo hat die Auflösung der früheren Regierungspartei NDP angeordnet. Wie aus dem Gerichtsurteil hervorgeht, muss die NDP zudem ihre Vermögen und Büros dem Staat übergeben.

Protesters chant anti-Mubarak slogans next to a poster of Egyptian President Hosni Mubarak in Tahrir square in Cair

Bild vom Februar dieses Jahres: Demonstranten zerstören in Kairo ein Plakat von Hosni Mubarak. Der gestürzte Präsident sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft.

(Foto: REUTERS)

Die NDP hatte immer wieder versucht, ihr politisches Überleben zu sichern. Viele ihrer Funktionäre sahen sich nach dem Umsturz in dem nordafrikanischen Land jedoch mit Korruptionsermittlungen konfrontiert oder wurden bereits festgenommen. Unter Mubarak war die PND etwa 30 Jahre lang an der Macht.

Dem gestürzten Staatschef Hosni Mubarak droht Medienberichten zufolge möglicherweise die Todesstrafe. Wenn die Justiz des Landes ihn der tödlichen Gewalt gegen Demonstranten zu Jahresbeginn für schuldig befinde, könne er gehängt werden, berichtete die amtliche Tageszeitung El Ahram unter Berufung auf ein Gericht in der Hauptstadt Kairo. Dessen Präsident Sakaria Schalasch sagte dem Blatt zudem, Mubaraks früherer Innenminister Habib el Adli habe ausgesagt, den Befehl zur gewaltsamen Auflösung der Massenproteste direkt vom Präsidenten erhalten zu haben.

Mubarak ist unterdessen drei Tage nach seiner Verhaftung in ein Armeekrankenhaus bei Kairo gebracht worden. Das berichtete das Nachrichtenportal almasryalyoum am Samstag. Der 82-Jährige war schon nach seiner ersten Vernehmung am vergangenen Dienstag wegen Herzprobleme in Scharm el Scheich im Krankenhaus behandelt worden. Sondereinsatzkräfte des Militärs schützen seit dem Eintreffen des Ex-Präsidenten das Armeekrankenhaus, das 40 Kilometer östlich von Kairo liegt.

Bei den Massenprotesten, die am 11. Februar zum Sturz des Präsidenten führten, kamen nach offiziellen Angaben etwa 800 Menschen ums Leben. Im Zuge der Ermittlungen wegen des gewaltsamen Vorgehens von Sicherheitskräften gegen Demonstranten wurden Mubarak und seine Söhne Gamal und Alaa am Mittwoch für 15 Tage in Untersuchungshaft genommen.

Algerien: Präsident kündigt Verfassungsreform an

Unter dem Eindruck der Protestwelle in der arabischen Welt hat Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika politische Reformen in Aussicht gestellt. Die Verfassung solle demokratischer werden, sagte er in einer im staatlichen Fernsehen übertragenen Ansprache. Zudem versprach der 74-Jährige, das Wahlrecht repräsentativer zu gestalten. Bei den nächsten Präsidentschaftswahlen in drei Jahren sollten auch ausländische Wahlbeobachter zugelassen werden.

Auch in Algerien hat sich in den vergangenen Monaten Widerstand gegen das herrschende System und die sozialen Missstände im Land formiert: Bei Ausschreitungen in Folge von Studentenprotesten wurden erst in dieser Woche wieder etliche Menschen verletzt. Vor allem Arbeitslosigkeit, Korruption, Behördenwillkür lassen die Algerier auf die Straße gehen. Sie sind über ihren niedrigen Lebensstandard umso erboster, weil das Land anders als das rohstoffarme Tunesin große Öl- und Gasvorkommen hat. Bislang hat die Regierung versucht, mit den Einnahmen aus dem Öl-Geschäft die Forderungen die Protestbewegung zu beruhigen.

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