Rettungspaket für Griechenland:Isch doch nicht over

Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) 2015 im Bundestag vor der Entscheidung über weitere Finanzhilfen für Griechenland.

Vor der Abstimmung zum Rettungspaket ist Schäuble gut gelaunt - dabei ist eine wichtige politische Frage offen.

(Foto: John MacDougall/AFP)
  • Schon in dieser Woche sollen die ersten 13 Milliarden Euro nach Athen fließen. Dafür verpflichtet sich die Regierung zu harten Einschnitten.
  • Am Freitag wird es eine Sondersitzung der Euro-Gruppe geben an der auch IWF-Chefin Lagarde teilnimmt.
  • Unklar ist bisher, ob der IWF sich an dem dritten Rettungspaket beteiligen wird. Die Frage ist von hoher politischer Bedeutung.

Von Alexander Mühlauer

Wolfgang Schäuble war im Sommerurlaub auf Sylt, und man kann sagen, es hat ihm gut getan. So zuversichtlich, ja, fast schon prächtig gelaunt, hat man den Bundesfinanzminister lange nicht mehr erlebt - zumindest nicht in Brüssel. An diesem Freitagabend ist Schäuble mit seiner guten Stimmung nicht allein. Sogar seine Grexit-Sympathisanten aus Helsinki und Bratislava sind voll des Lobes für ein Land, das sie sonst immer wieder heftig attackiert hatten: Griechenland.

Irgendetwas muss also passiert sein. Glaubt man den Finanzministern der Euro-Gruppe, liegt der Stimmungswechsel vor allem am neuen Mann aus Athen: Euklid Tsakalotos hat den irrlichternden Yanis Varoufakis als Finanzminister abgelöst. "Und man glaubt es gar nicht", sagt Schäuble, "Finanzminister sind manchmal, auch was die Person anbetrifft, nicht völlig irrelevant."

Immerhin eines scheint also beim Treffen der Euro-Gruppe zurückgekehrt zu sein: Vertrauen. Die griechische Regierung versuche, das Land wieder auf einen neuen wirtschaftlichen Weg zu bringen, sagt Schäuble, und "deshalb sind wir uns in der Euro-Gruppe einig, dass wir diese Chance ergreifen wollen".

Schuldenschnitt lehnen die Euro-Partner nach wie vor ab

Bevor Griechenland allerdings das dritte Rettungspaket von bis zu 86 Milliarden Euro ausgezahlt bekommt, müssen noch mehrere nationale Parlamente zustimmen. An diesem Mittwoch ist es in Berlin soweit: Die Abgeordneten des Bundestags kommen in einer Sondersitzung zusammen. Doch wie auch immer sie abstimmen werden, eines bleibt unklar: ob der Internationale Währungsfonds (IWF) sich an dem Rettungspaket beteiligen wird. Diese Frage ist von hoher politischer Bedeutung, denn es war die Bundeskanzlerin selbst, die ein drittes Griechenland-Paket stets davon abhängig gemacht hat, ob der IWF weiter an Bord bleibt.

Bei der Sitzung der Euro-Gruppe am Freitagabend ist IWF-Chefin Christine Lagarde per Videokonferenz zugeschaltet. Dass der Fonds aus Washington überhaupt bei der Griechenland-Rettung dabei ist, liegt an Angela Merkel. Fünf Jahre ist es nun her, als die Kanzlerin zu Beginn der Schuldekrise darauf drängte, den IWF mit dabei zu haben.

Dahinter steckte innenpolitisches Kalkül, denn schon damals wusste Merkel, dass sie die parteieigenen Kritiker am besten überzeugen kann, wenn sie einen knallharten Sanierer im Boot hat. Und genau diesen Ruf hatte sich der Währungsfonds in Lateinamerika und anderswo erarbeitet. Solange der IWF dabei ist, hatte Merkel ein gutes Argument für weitere Milliardenkredite. Doch dieses Argument fehlt ihr jetzt.

Lagarde knüpft künftige IWF-Hilfen für Griechenland vor allem an einen Punkt: die Schuldentragfähigkeit. "Ich bin der Meinung, dass Griechenlands Schulden untragfähig geworden sind", sagt die Chefin des Währungsfonds in der Euro-Gruppe. Sie erwarte, dass die Europäer bei einer ersten Überprüfung des Hilfsprogramms im Oktober konkrete Zusagen und "entscheidende Schuldenerleichterungen machen", die über bisherige Überlegungen deutlich hinausgingen.

Keine Fehler aus der Vergangenheit

Wie diese aussehen könnten, steht im Beschluss der Euro-Gruppe. Die Mitgliedsstaaten könnten Griechenland bei der Tilgung und den Kreditlaufzeiten entgegenkommen. Was nicht erwähnt ist, aber immer wieder diskutiert wird: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat mit dem Anleihenkaufprogramm SMP Gewinne mit griechischen Staatsanleihen gemacht. Die sogenannten SMP-Profits liegen bis 2019 bei etwa 7,7 Milliarden Euro. Würde man diese in die Gesamtrechnung einbeziehen, würde sich die Schuldenlast Griechenlands reduzieren. Einen klassischen Schuldenschnitt lehnen die Euro-Partner nach wie vor ab.

An diesem Freitagabend in Brüssel geht es aber nicht nur um Schulden. Es geht vor allem um die Frage, wie Griechenland wieder Geld einnehmen kann. Ein Instrument dafür ist der von Schäuble ins Spiel gebrachte Privatisierungsfonds. Dieser soll bis spätestens Ende des Jahres den Betrieb aufnehmen. Insgesamt 50 Milliarden Euro soll er einnehmen, aber davon ist man noch weit entfernt. 6,5 Milliarden sollen durch Verkäufe von Staatsvermögen, etwa der Häfen von Piräus und Thessaloniki, kommen. 14 Flughäfen mietet der deutsche Flughafenbetreiber Fraport. Aber auch 25 Milliarden Euro aus der Bankenrekapitalisierung fließen in den Fonds.

Hoffnung auf ein Signal aus Washington

Einen Fehler der Vergangenheit wollen die Geldgeber diesmal auf keinen Fall machen. Sie werden die Umsetzung des Programms regelmäßig vor Ort überprüfen. Im Oktober soll es erstmals soweit sein. Dann könnte auch der IWF entscheiden, ob er sich mit weiteren Milliarden an der Griechenland-Rettung beteiligt.

86 Milliarden Euro soll das hochverschuldete Land in den nächsten drei Jahren bekommen. Der Hauptteil kommt von den Euro-Partnern. Doch auch Klaus Regling, der Chef des Euro-Rettungsfonds ESM, hofft auf ein Signal aus Washington. Voraussichtlich werde der IWF Geld zuschießen, so dass der ESM nicht die volle Summe tragen müsse. Zudem könne Griechenland durch Privatisierungen und die Rückkehr an den Kapitalmarkt Geld beisteuern.

Die erste Kredittranche soll Griechenland am 19. August vom ESM erhalten. Einen Tag später muss die Regierung in Athen 3,4 Milliarden Euro an die EZB zurückzahlen. Die erste Überweisung nach Athen wird 26 Milliarden Euro betragen, die Hälfte soll in dieser Woche fließen. Darauf folgen drei Milliarden im September und Oktober. Zur Rekapitalisierung griechischer Banken werden außerdem zehn Milliarden Euro auf einem Sonderkonto beim ESM vorgehalten. Bei der Rekapitalisierung werden keine Guthaben griechischer Bankkunden herangezogen. Auch die Einlagen kleiner und mittlerer Unternehmen bleiben verschont.

Griechenland - ein schwerer Fall

Alles kommt nun darauf an, wie Griechenland die Auflagen der Geldgeber umsetzt. Davon hängt auch ab, ob weitere Kredite genehmigt werden. Auf das Land kommen harte Einschnitte zu. Es sind Strukturreformen, die die Vorgängerregierungen immer wieder versprochen hatten, aber nicht umsetzten. Etwa die Abschaffung von Frührenten und Reformen auf dem Arbeitsmarkt. Außerdem soll Griechenland das Justiz- und Bildungssystem umfassend reformieren, den Kampf gegen Korruption und Steuerhinterziehung verschärfen und die wichtige Behörden unabhängiger von staatlichem Einfluss machen - zum Beispiel das Statistikamt Elstat.

Ob die Wirtschaft angesichts der geplanten Steuererhöhungen und Sparmaßnahmen wirklich wachsen kann, werden die Überprüfungen der Geldgeber zeigen. Davon werden auch ausländische Unternehmer ihre Entscheidung abhängig machen in Griechenland zu investieren.

Freitagnacht meldet sich dann noch Jean-Claude Juncker aus dem Sommerurlaub. Der Präsident der EU-Kommission sieht in der Entscheidung der Euro-Gruppe das Signal, dass Griechenland "unabänderlich" Mitglied der Euro-Zone bleiben wird. So weit will Schäuble an diesem Freitagabend in Brüssel nicht gehen. Zug um Zug werde überprüft, ob die griechische Regierung die Reformen umsetze. Griechenland sei ein besonders schwerer Fall. Aber am Ende meint Schäuble dann doch: "Insgesamt ein guter Tag."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: