Republikaner soll schwule Mitschüler gemobbt haben:Die wilden Schülerjahre des Mitt Romney

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Als Kandidat wirkt er steif, doch in der Schule war Mitt Romney eine Art Klassenclown und beliebt. Nun holt ihn die wilde Jugend ein: Laut "Washington Post" soll er sich als 18-Jähriger auf einen schwulen Jungen gestürzt und dessen blond gefärbte Haare abgeschnitten haben. Ein weiterer Mitschüler klagt über Mobbing. Die Reaktion des Ex-Gouverneurs auf die Vorwürfe ist typisch.

Matthias Kolb, Washington

Romney soll als Jugendlicher einem schwulen Mitschüler die Haare abgeschnitten haben - er beruft sich auf Gedächtnislücken. (Foto: AFP)

John Lauber kam verändert aus den Frühlingsferien 1965 an die elitäre Cranbook School in Michigan zurück. Der junge Mann war an der Jungenschule schon vorher wegen seines Nonkonformismus aufgefallen und man tuschelte, dass er schwul sei. Nun hatte sich Lauber die Haare blond gefärbt und ließ sich die Strähnen ins Auge fallen. Der neue Look sorgte für Aufsehen - und bei dem ein Jahr älteren Mitt Romney für schieres Entsetzen.

"Er kann so nicht aussehen. Das ist falsch. Schaut ihn nur an", soll der voraussichtliche Präsidentschaftsbewerber der Republikaner immer wieder gerufen haben, berichtet die Washington Post unter Berufung auf Mitschüler. Einige Tage später sei eine Gruppe junger Männer mit dem 18-jährigen Romney an der Spitze grölend durch den Wohnbereich gelaufen und habe nach Lauber gesucht. Als sie ihn gefunden hatten, stürzten sie sich auf ihn, drückten ihn zu Boden und Romney schnitt dem weinenden und laut um Hilfe rufenden Lauber mit einer Schere die Haare ab.

Wenige Tage später sei Lauber an die Schule zurückgekehrt - mit braunen Haaren. Bestraft wurde Romney, der Sohn des damaligen Gouverneurs von Michigan, offenbar nicht. Den Vorfall haben fünf Craddock-Schüler der renommierten Zeitung unabhängig voneinander bestätigt und nur einer bat um Anonymität. Philipp Maxwell, einer von ihnen, nannte die Aktion "teuflisch", während Thomas Buford von einer "sinnlosen, idiotischen und dummen Tat" sprach.

Der Bericht über den rüden Romney sorgt kurz nach dem historischen Bekenntnis von US-Präsident Barack Obama zur Homo-Ehe für großes Aufsehen in den US-Medien und sozialen Netzwerken. In dem ausführlich recherchierten Artikel klagt ein weiterer Mitschüler, Romney habe stets "Atta girl" geschrien, wenn er sich gemeldet habe - dabei wird der Ausruf "Atta girl" sonst als Anfeuerungsruf für Mädchen verwendet.

Schnell versuchten seine Berater gegenzusteuern. Sprecherin Andrea Saul erklärte per E-Mail-Mitteilung: "Jeder, der Gouverneur Romney kennt, weiß, welch guten Charakter er hat. Diese 50 Jahre alten Geschichten sind aufgebauscht und der Gouverneur kann sich nicht erinnern, an diesem Vorfall beteiligt gewesen zu sein."

Der voraussichtliche Obama-Herausforderer selbst gab in Nebraska eine typisch schwammige Romney-Antwort, die es allen recht machen soll: "Ich erinnere mich nicht an diesen Vorfall. Ich kann Ihnen versichern, dass ich diesen Kerl (Lauber, Anm. d. Red) nicht für schwul gehalten habe. So etwas kam uns in den Sechzigern gar nicht in den Sinn. Natürlich habe ich damals vielen einen Streich gespielt, und wenn ich dumme Sachen gemacht habe, dann möchte ich mich entschuldigen."

Es ist ein riskanter Dreisprung: Ich kann mich erstens nicht erinnern, zweitens habe ich nichts gegen Homosexuelle und drittens war alles nicht böse gemeint. Später gab Romney zu Protokoll, dass er zu einem anderen, ausgeglicheneren Menschen geworden sei, nachdem er seine Frau Ann kennengelernt habe - diese besuchte eine ähnlich elitäre Mädchenschule namens Kingswood im gleichen Ort.

Die Wortbeiträge in den Kabelsendern und via Twitter zeigen erneut, dass in diesem Wahlkampf jede Chance, den Gegner zu attackieren, genutzt wird. Bob Woodhouse, der Chef des Democratic National Committee tweetete sofort: "Mitt Romney war 1965 intolerant und hat einen angeblich schwulen Mitschüler mit einer Schere angegriffen. Heute ist er intolerant und lehnt die Homo-Ehe ab."

Andere Republikaner versuchten, die Anekdote herunterzuspielen und witzelten, sogar Teddy Roosevelt habe in der Mittelstufe einem Klassenkameraden einen Streich gespielt. Insofern passt die aktuelle Aufregung um den Trubel, den etwa die legendäre Episode auslöste, dass Romney einst den Familienhund auf das Autodach gepackt hatte. Die Republikaner versuchten daraufhin, Präsident Obama damit zu schaden, dass er als Kind in Indonesien Hundefleisch gegessen hat.

Inwieweit die Enthüllung Romneys ohnehin mittelmäßigen Popularitätswerten schaden könnte, bleibt abzuwarten. Die Berichte über die Alkoholexzesse von George W. Bush haben dessen Einzug ins Weiße Haus ebenso wenig verhindert wie der in der eigenen Autobiographie dokumentierte Konsum von Haschisch und Kokain des jungen Barack Obama (eine gute Übersicht bietet der Wahl-Blog The Fix).

Phillip Maxwell, einer der ehemaligen Mitschüler, nimmt Romney dessen Gedächtnislücken nicht ab: "Alle, die daran beteiligt waren, haben sehr genaue Erinnerungen an diese Aktion. Ich denke, dass sie beim Täter am klarsten sein müssten."

Das Opfer, John Lauber, hat den Vorfall auf keinen Fall vergessen. Als David Seed, einer der Angreifer, ihn Mitte der neunziger Jahren am Flughafen von Chicago zufällig traf und sich für den Vorfall entschuldigte, sagte Lauber: "Es war schrecklich." Er habe damals große Angst gehabt und seitdem immer wieder daran denken müssen.

Lauber, der Craddock verlassen musste, weil er heimlich geraucht hatte, outete sich später als homosexuell und arbeitete als Schuldirektor. Er kann sich zu der Scheren-Attacke nicht mehr äußern, da er 2004 gestorben ist. Seine Schwester Chris sagte der Washington Post, dass Lauber mit blonden Haaren starb: "Er hat nie mit dem Färben aufgehört."

Linktipp: Der lange Artikel über Mitt Romneys Zeit an der Craddock-Schule ist auf der Website der Washington Post nachzulesen. Besonders sehenswert ist die Bildergalerie mit Fotos des jungen Romney - seine Haare waren damals millimeterkurz.

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