Republikaner liegt hinter Obama:Romneys letzte Chance

Krisenmanager in der Krise: Nur noch sechs Wochen bleiben Mitt Romney, um den Rückstand auf US-Präsident Obama aufzuholen. Trotz all der Rückschläge in den vergangenen Wochen gibt der Republikaner sich siegessicher und setzt auf die TV-Debatten. Im Rededuell mit Obama hat Romney gute Chancen, er darf sich aber keinen Fehler leisten.

Matthias Kolb, Washington

Mitunter reicht ein Tweet, um zwei Wochen zu bilanzieren. "Wenn die Wahlkampagne von Romney die Olympischen Spiele von Salt Lake City wären, dann würden sie jetzt Romney anrufen, damit er übernimmt", spottet der Demokrat @PourMeCoffee im Kurznachrichtendienst Twitter.

Seit Monaten präsentiert sich Mitt Romney als Wirtschaftsexperte und Retter der Olympischen Spiele 2002. Doch jetzt, sechs Wochen vor dem Wahltermin, muss "Mr. Fix-it" seine eigene Kampagne reparieren.

Im Interview mit der CBS-Sendung "60 Minutes" zeigte sich der 65-Jährige zwar siegessicher, was den 6. November angeht: "Ich werde das Ding gewinnen." Doch bei nüchterner Betrachtung stehen die Chancen, dass der Republikaner Barack Obama aus dem Weißen Haus verjagen kann, ziemlich schlecht.

Bei der Online-Wettbörse Intrade wird die Wahrscheinlichkeit eines Obama-Siegs mit 71 Prozent angegeben. Nate Silver, Chef-Statistiker der New York Times, rechnet zu 77,6 Prozent damit, dass der Demokrat im Weißen Haus bleiben wird.

Diese für Barack Obama so positiven und für Mitt Romney so negativen Zahlen spiegeln die vielen Probleme wider, vor denen der Republikaner nach einem verkorksten September steht (das Unheil begann mit Clint Eastwoods Stuhl-Sketch).

Romney fällt zurück

Es gehört zur Dauer-Aufgeregtheit des US-Medienbetriebs, dass täglich neue Zahlen präsentiert werden. In der aktuellen landesweiten Politico-Umfrage führt Obama mit drei Punkten vor Romney. Das klingt knapp, doch entscheidend sind die Nachrichten aus den swing states. Und die Zahlen von dort versetzen manchen Republikaner in Panik. Fast überall liegt Romney hinten. Zur Erinnerung: US-Präsident wird, wer mindestens 270 Wahlmänner hinter sich vereinigen kann. Und wer die Staaten durchgeht, der muss sich Sorgen um den Ex-Gouverneur machen.

Ohio (18 Stimmen)? Obama liegt vier Prozentpunkte vorn. Florida (29 Stimmen)? Obama führt im Schnitt mit 2,2 Punkten. Virginia (13 Stimmen), einst Hochburg der Republikaner? Romney liegt 4,5 Punkte hinten. Nur in North Carolina läuft für den Republikaner alles nach Plan. Die Washington Post hat Szenarien für einen Romney-Sieg ermittelt und bilanziert: "Nun darf kein Fehler mehr passieren."

Romney bleibt unbeliebt

Die Datenreihen der landesweiten Umfragen, in denen Obama nur knapp vorne liegt, bergen dennoch Sprengstoff. Denn sie zeigen, dass es den Republikanern bei ihrem Parteitag nicht gelungen ist, den Multimillionär weichzuzeichnen. Noch immer ist die Zahl der Amerikaner, die eine schlechte Meinung über Romney haben, höher als der Wert derer, die ihn sympathisch finden. Die Vorbehalte erklären, wieso Obama trotz acht Prozent Arbeitslosigkeit und der Tatsache, dass weiter 57 Prozent Amerika auf dem falschen Pfad sehen, führt.

Und Obama ist beliebt: Seine Popularität ist höher als die Zustimmung zu seiner Arbeit. Die Wähler, so Dan Balz in der Washington Post könnten sich vielleicht vorstellen, Obama zu feuern, doch sie seien noch nicht bereit, Romney anzuheuern.

Romneys Botschaft bleibt verschwommen

Die schlechte Wirtschaftslage nach vier Jahren Barack Obama und die Kompetenz des Geschäftsmanns Mitt Romney - so sollte der Zangengriff der Republikaner aussehen, kombiniert mit der Frage: "Geht es Ihnen heute besser als 2008?" Doch Romney liefert zu wenig: In Tampa begnügte sich der Multimillionär mit einem schwammigen Fünf-Punkte-Plan, dann zeigte er mit vorschnellen Kommentaren zu den antiamerikanischen Protesten in Nahost, wie wenig er von Außenpolitik versteht. Und die vergangene Woche war geprägt von der Debatte, was Romney denn nun gemeint haben könnte, als er bei einem heimlich mitgeschnittenen Fundraiser 47 Prozent der Amerikaner als Sozialschmarotzer bezeichnete. Die Folge: In Sachen Wirtschaftskompetenz ist Romneys Vorsprung weg.

Die Konservativen sind zerstritten

Der Appell der Gattin ist verpufft. "Hört auf damit. Wenn ihr denkt, dass ihr es besser könnt, dann tretet selbst an", rief Ann Romney den Kritikern aus den eigenen Reihen zu. Denn es sind nicht nur Liberale und Linke, die Romneys Aussagen über faule Obama-Fans oder zu Nahost angreifen. Bill Kristol vom Weekly Standard nennt diese "arrogant und dumm" und im Wall Street Journal bezeichnet Peggy Noonan Romneys Wahlkampagne nicht mehr nur als inkompetent, sondern als "eine Katastrophe auf Rädern". Die vergangenen Wochen haben offenbart, dass in der Zentrale in Boston mindestens sieben Machtzentren um Einfluss ringen. Zwar gibt es noch keine Anzeichen, dass Karl Rove und dessen Super-Pacs den 65-Jährigen aufgegeben haben, aber der interne Streit kostet dem Romney-Lager Zeit, Energie und raubt den Aktivisten den Mut.

US-Wirtschaft bricht nicht ein

Eine (nie laut geäußerte) Hoffnung der Republikaner bestand darin, dass die amerikanische oder globale Wirtschaft vor dem 6. November einknickt und die Arbeitslosenzahlen steigen lässt. Nach der Ankündigung der US-Notenbank, monatlich Staatspapiere und Hypothekenanleihen in Höhe von 85 Milliarden Dollar zu kaufen, wird dies wohl nicht geschehen, was eher für Obamas Argument, das Land befinde sich auf dem richtigen Pfad, spricht, als für Romneys düsteren Alarmismus.

Die Zeit läuft davon

In 42 Tagen kann noch viel passieren und wer Obama heute schon zum Sieger erklärt, urteilt vorschnell. Niemand kann etwa wissen, wie sich die verschärften Wahlgesetze auswirken: In mehreren Staaten müssen die Bürger nun einen Foto-Ausweis mitbringen, was nach Expertenmeinung vor allem Arme und Minderheiten vor Probleme stellt - und die wählen meist die Demokraten. Dies weiß auch Obamas Kampagnenchef Jim Messina, der zurzeit seine Helfer im ganzen Land anruft, um eine Botschaft zu vermitteln: "Jetzt nicht nachlassen!" Doch der Druck, die Wende einzuleiten, lastet eindeutig auf Romney und jeder Tag, der verstreicht, ist eine ungenutzte Chance. Denn bis Ende September werden die Wähler in 30 US-Bundesstaaten bereits die Möglichkeit haben, ihre Stimme abzugeben.

2008 wurden knapp 30 Prozent der Wahlzettel bereits vor dem eigentlichen Termin abgegeben und Experten rechnen nun sogar mit einem Anstieg. Gewiss, unter diesen Frühwählern sind neben vielen Soldaten auch überzeugte Republikaner sowie Gewerkschafter, doch kaum jemand wird Steve Schmidt, dem Berater des gescheiterten Bewerbers John McCain widersprechen können, der zu Politico sagte: "Wenn das early voting beginnt, dann sollte die Kampagne aus allen Rohren schießen, ihre Botschaft offensiv vertreten und am besten schon Schwung aufgenommen haben - und dies ist bei Romney 2012 ganz eindeutig nicht der Fall."

Romney macht Fehler, wenn er improvisieren muss

Dass Romney dennoch im CBS-Interview von einem Sieg sprechen kann, liegt nicht nur daran, dass seine Wahlkampfkasse gut gefüllt ist, sondern vor allem an der Tatsache, dass ihm drei Chancen bleiben, die Amerikaner zu überzeugen. 80 Prozent der Wähler wollen sich mindestens eine TV-Debatte anschauen: Am 3. Oktober diskutieren Obama und Romney über Innenpolitik, am 16. Oktober stellen sich beide den Fragen noch unentschiedener Bürger bei einem Townhall Meeting, bevor sie am 22. Oktober über Außenpolitik streiten werden.

Die 270 Minuten geben Mitt Romney die Chance, viel nachzuholen. Er kann präziser erklären, wie sein Wirtschafts- und Steuerkonzept aussieht, er kann stärker für sich als Staatsoberhaupt werben als vor vier weiteren Obama-Jahren zu warnen - und er kann zeigen, dass er sich in Außenpolitik eingearbeitet hat.

Die Chancen des Republikaners im Duell mit Obama sind nicht schlecht: Romney ist nach den 19 Debatten des Vorwahlkampfs der Republikaner in Übung, während der Präsident zuletzt vor vier Jahren gegen John McCain antrat und dabei keineswegs brillierte. Obama ist fraglos ein guter Redner, aber kein begnadeter Debattierer - und er ist nicht mehr gewöhnt, dass ihm jemand offen widerspricht. Und anders als Romney hat Obama einen aufreibenden Tagesjob.

Für The Atlantic hat James Fallows nochmals alle Debatten angeschaut, an denen Romney seit 1994 teilgenommen hat. Demnach ist der Republikaner bestens vorbereitet (inklusive Witze und Sprüche), sehr diszipliniert, wenn es darum geht, seine Botschaft rüberzubringen und er fühlt sich in der Mitte des Getümmels wohl. Ähnliches war auch im Winter zu beobachten, als Romney je nach Notwendigkeit Rick Perry, Newt Gingrich oder Rick Santorum angriff.

Doch die von Fallows identifizierten Stärken sind zugleich dessen Schwächen, die man auch im Obama-Hauptquartier in Chicago kennt: "Romney ist sehr gut, wenn er vorbereitet ist. Er macht Fehler, wenn er gezwungen ist zu improvisieren." Wenn es Mitt Romney also gelingt, auf alle überraschenden Fragen der Moderatoren und auf die Störmanöver Obamas vorbereitet zu sein, dann wird er die Amerikaner beeindrucken. Wenn ihm jedoch nochmals ein Patzer wie in den vergangenen beiden Wochen unterläuft, dann bekommt er wohl keine weitere Chance mehr.

Linktipp: James Fallows' ausführliche Analyse über die Debatten-Fähigkeiten von Mitt Romney und Barack Obama ist auf der Website des Magazins The Atlantic nachzulesen.

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