Republikaner John McCain im SZ-Gespräch:"Amerika muss Führung zeigen"

John McCain appelliert an US-Präsident Obama, den Nahostkonflikt zu entkrampfen und die Führung in der Region zu übernehmen. Außerdem dringt der Außenpolitiker der US-Republikaner im SZ-Gespräch auf eine militärisch durchgesetzte Flugverbotszone über Syrien - und fordert von Washington, die Opposition endlich zu bewaffnen.

Interview: Christian Wernicke

Former CIA Director Petraeus Testifies At Congressional Hearings On Benghazi Attack

"Ein schändliches amerikanisches Kapitel": US-Senator John McCain kritisiert die zögerliche westliche Hilfe für die syrischen Rebellen. 

(Foto: AFP)

Dass sich die Supermacht von der Welt abwendet, ist seit jeher sein Albtraum: John McCain, Senator aus Arizona und außenpolitische Stimme der US-Republikaner, kritisiert das Nichtstun der Obama-Regierung angesichts des Massakers in Syrien als ein "schändliches Kapitel amerikanischer Geschichte". Washington solle der Opposition Waffenhilfe gewähren.

Den 76-jährigen Verlierer der Präsidentschaftswahl von 2008 freut es zwar, dass Deutschland nun zum Schutz der Türkei Patriot-Raketen an der syrischen Grenze stationieren will. Aber noch besser fände er, wenn Berlin mit seinen Raketen helfen würde, den Assad-Gegnern den Schutz einer Flugverbotszone zu gewähren - etwas, was die Bundesregierung nicht will.

Beim Internationalen Sicherheitsforum in Halifax sprach McCain mit der Süddeutschen Zeitung, der Zeit und dem Handelsblatt.

SZ: Die Welt fürchtet, die Kämpfe zwischen Israelis und der palästinensischen Hamas-Bewegung im Gazastreifen könnten sich zu einem Krieg ausweiten. Tut Präsident Obama genug, um die Krise einzudämmen?

John McCain: Auf keinen Fall darf sich Amerika in diesem Augenblick zurückhalten. Im Gegenteil, es muss Führung zeigen und mit ganzer Kraft versuchen, diese brandgefährliche Situation so gut wie irgendwie möglich zu entkrampfen. Dazu gehört es auch, Ägyptens neuen Präsidenten Mohammed Mursi einzubinden. Alle in der Region hoffen auf Amerika.

Diese Erwartungen wurden in letzter Zeit enttäuscht.

Vielleicht waren sie zu hochgesteckt. Das ist ja nicht der erste Konflikt mit Hamas. Nur gibt es jetzt eine völlig veränderte Lage: Wir haben eine andere Regierung in Kairo. Ägyptens Machthaber waren in vergangenen Zeiten immer ein verlässlicher Anker der Stabilität und hatten großen Einfluss auf alle Fraktionen der Palästinenser. Doch Präsident Mursi? Er übt sich in einem Drahtseilakt. Denn er hat einerseits versprochen, den alten Friedensvertrag zwischen Ägypten und Israel einzuhalten. Andererseits muss er Rücksicht nehmen auf seine Basis, die Muslimbrüder, die keine Sympathien für Israel hegt.

In diesem Konflikt können wir außerdem heilfroh über den technologischen militärischen Fortschritt sein. Dank Iron Dome, des mit amerikanischer Hilfe gebauten Raketenabwehrsystems, können Israelis palästinensische Geschosse in der Luft zerstören. Das ist bereits in 90 Prozent der Fälle gelungen. Sonst wäre die israelische Armee schon längst wieder in den Gazastreifen einmarschiert.

Und nebenan brennt Syrien. Die Welt scheint ohnmächtig, während das Assad-Regime sein eigenes Volk ermordet.

Dagegen müssen wir mehr tun. Es darf nicht länger so weitergehen. Die Iraner unterstützen Präsident Assad mit eigenen Kämpfern, und außerdem strömen russische Waffen nach Syrien. Alle Horrorszenarien, vor denen die Gegner jeglicher Einmischung des Westens uns gewarnt haben, sind inzwischen eingetreten: Die Nachbarländer werden instabil, islamistische Gotteskrieger aus Arabien streben nach Syrien, und die Zivilbevölkerung wird massakriert. 37.000 Menschen sind dem Regime zum Opfer gefallen. Ich schäme mich dafür, dies ist ein schändliches Kapitel amerikanischer Geschichte. Wir hätten mehr unternehmen müssen.

Was also schlagen Sie vor?

Die USA sollten die Opposition endlich bewaffnen und militärisch unterstützen. Ich hoffe sehr, dass die Obama-Regierung alle Optionen prüft.

Also auch den Kampfeinsatz von US-Truppen?

Nein, das amerikanische Volk würde den Einsatz von US-Bodentruppen nicht mittragen. Die Amerikaner sind kriegsmüde. Aber eine Flugverbotszone und Waffenhilfe könnten das Patt im Bürgerkrieg brechen. Assad setzt mehr und mehr Hubschrauber und Kampfjets ein, weil die Armee ausgelaugt ist. Wir müssen nicht gleich die ganze Luftabwehr um die Hauptstadt Damaskus lahmlegen. Es würde reichen, eine Flugverbotszone nahe der türkischen Grenze zu errichten und sie mit Abwehrraketen vom Typ Patriot zu schützen. Sobald wir einen Jet erwischt haben, fliegt kein zweiter mehr. Das wäre also keine dramatische Eskalation.

"Beide politischen Lager wissen, dass etwas passieren muss"

Ist der Fall Syrien für die deutsche Regierung eine Chance zur Wiedergutmachung dafür, dass sie im Libyen-Krieg nur Zuschauer war?

Ich habe der Kanzlerin gegenüber keinen Hehl daraus gemacht, dass ich über die fehlende deutsche Beteiligung in Libyen enttäuscht war. Das ist kein Geheimnis. Die Nato muss sich jetzt um Syrien kümmern, nur scheinen die Chancen dafür bisher gering. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat unmissverständlich gesagt, dies sei keine Sache der Allianz. Leider.

Die Bundesrepublik erwägt nun, zwei Staffeln Patriot-Abwehrraketen und 170 deutsche Soldaten an der syrischen Grenze zu stationieren...

...das wäre ein gewaltiger Fortschritt...

... aber die Raketen sollen nur den Bündnispartner Türkei schützen. Sie hingegen wollen damit eine Flugverbotszone in Syrien schaffen.

Ja, wir brauchen eine solche Zone, am besten nahe der türkischen Grenze. Hier könnten Flüchtlinge Schutz finden und Widerstandstruppen trainieren. Dorthin könnte man auch Waffen an die Opposition liefern. So ähnlich wie damals in Libyen, wo die Stadt Bengasi ein Brückenkopf für die Opposition gegen Gaddafi war.

Falls Assad jemals gestürzt wird - wer würde dann verhindern, dass Syriens Volksgruppen übereinander herfallen? Die Arabische Liga? Die Nato?

Das könnten die Vereinten Nationen übernehmen. Sobald die Kämpfe vorbei sind, müssten wir Blauhelme schicken.

Die USA wären dazu nicht bereit? Fehlt ihnen wegen ihrer vielen Krisen daheim dafür die Kraft?

Das gilt schon seit 2008, als unsere Wirtschaft einbrach. Die größte Bedrohung unserer nationalen Sicherheit lauert in unserer ökonomischen Misere. Die meisten Amerikaner sorgen sich momentan mehr um ihren Job als um die Welt...

... und natürlich um die drohende Haushaltskrise, die sogenannte "fiscal cliff". Die hätte Kürzungen von Hunderten von Milliarden Dollar zur Folge. Glauben Sie an eine Lösung?

Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir nicht in diesen Abgrund stürzen. Die Märkte haben uns schon jetzt klargemacht, dass sie eine Lösung erwarten. Beide politischen Lager wissen, dass etwas passieren muss.

Nach den verlorenen Präsidentschaftswahlen: Welche Lehren sollten ihre Republikaner aus der Niederlage ziehen?

Sie sollten auf unsere Bevölkerungsentwicklung schauen. Zum Beispiel auf die wachsende Zahl der Latinos und der Asiaten, die wie die Schwarzen fest im demokratischen Lager verankert sind.

Sehen Sie die Gefahr, dass Ihre Partei zu weit nach rechts abdriftet?

Durchaus. Wir müssen die Hoffnungen, Träume und Ziele der jungen Menschen in Amerika, insbesondere der jungen Frauen besser verstehen. Es geht nicht darum, uns widerspruchslos anzupassen. Doch wir müssen uns der Themen dieser Menschen annehmen.

Hat die republikanische Partei diese demografischen Verschiebungen unterschätzt?

Ja. Absolut.

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