Reportage:Überm Stall ein schlechter Stern

Wie der erste Verdacht auf Vogelgrippe in einem deutschen Nutztierbetrieb ein Dorf in Turbulenzen bringt.

Peter Schmitt und Uwe Ritzer

Buch am Forst wird an diesem Morgen sehr abrupt aus der Ruhe gerissen. "Ich hab' gedacht, die richten eine Radarfalle ein", sagt ein Bauer. Bullig steht er vor seiner Hofeinfahrt und will Journalisten eigentlich gar nichts sagen über das, was er inzwischen über die vermeintliche Verkehrskontrolle erfahren hat.

Vogelgrippe; Reuters

Ein Warnschild und ein Zaun verhindern die Zufahrt zu dem gesperrten Geflügelzuchtbetrieb in Buch am Forst (Landkreis Lichtenfels.

(Foto: Foto: Reuters)

"Die haben die ganzen Enten weggekeult", sagt er dann doch und macht keinen Hehl daraus, was er von solchem Vorgehen auf dem benachbarten Hof hält: "In den sechziger Jahren haben die mir alle Schweine geschlachtet, und bis heute hab' ich nicht erfahren, was es war." Die Entschädigung aus der Tierseuchenkasse habe keineswegs ausgereicht, den Totalverlust wieder wettzumachen. "Und jetzt das."

Die Familie des betroffenen Bauern züchtet seit langem Enten und Hühner auf ihrem Hof in dem zur Stadt Lichtenfels gehörenden Dorf. Keine dieser Riesenmastanlagen mit Zehntausenden Tieren. Ein kleiner landwirtschaftlicher Betrieb - der jetzt womöglich am Ende ist.

Am Wochenende wurden dort auf Anweisung des Amtsveterinärs am Landratsamt in Lichtenfels mehr als 400 Enten und Hühner getötet. Im Dorf hatte keiner etwas davon mitbekommen. Bei sechs Jungenten, die der Geflügelhof erst vor wenigen Tagen in Niedersachsen eingekauft hatte, war das Influenza-A-Virus festgestellt worden, nachdem sie leblos in der Stallung aufgefunden worden waren.

Ob es sich um den gefährlichen H5N1-Erreger handelt, war zu diesem Zeitpunkt noch unklar. Alles wartete auf den Befund des Friedrich-Loeffler-Instituts auf der Ostseeinsel Riems, das dann am Montagabend Entwarnung gab. Kein Fall von H5N1: Deutschlands Geflügelbetriebe bleiben von diesem gefährlichsten Virustyp weiter verschont.

Ein Arzt für die Seniorchefin

Auch die Absperrung des Geländes um den Geflügelhof wurde von der Polizei nach der Entwarnung aufgehoben. Dabei schützte sie auch die Besitzer. "Deren Zustand ist alles andere als gut", sagt ein Polizeibeamter, der die Familie morgens besucht hatte. "Die Seniorchefin brauchte ärztliche Hilfe", berichtet er.

Gleich nebenan in der Gaststätte "Jägersruh" bringt das jedoch noch niemanden in Wallung. Die Kartenrunde in der Ecke pritscht ihren Schafkopf umso lauter. "Irgendwas soll auf dem Geflügelhof los sein", sagt einer und ärgert sich nur, dass auf einmal so viel Polizei im Ort ist. Andere gehen sensibler mit der Nachricht um, die über Rundfunk und über die vielen Reportern verbreitet wurde.

"Die Familie tut mir Leid, keiner weiß doch, wie das jetzt weitergehen wird", sagt Sonja Leicht, die in ihrem Bäckerladen auch Zeitungen, Konserven und Getränke in Flaschen verkauft. "Ich kenne sie gut, die sind ja Kunden bei mir."

"Wir glauben nicht, dass wir fliehen müssen"

Mona und Stefan Schultheiß genießen den sonnigen Wintertag und fahren den elf Monate alten Sohn Daniel im Kinderwagen durch die Ortsmitte, Buch präsentiert sich jenseits der Aufregung in winterlicher Idylle. Sie kaufen ihr Geflügel beim örtlichen Erzeuger. Stefan Schultheiß lobt die Frische und die Qualität. Doch an diesem Tag steht all das zunächst in Frage.

"Das ist wirklich schlimm für die Familie, von was sollen die künftig leben?", sorgt er sich. Von Panik aber hält das junge Paar nichts. "Angeblich sind schon Menschen in andere Gegenden geflüchtet, weil sie Angst vor der Vogelgrippe bekommen haben, wir glauben nicht, dass das sein muss", sagt der 23-Jährige.

Gelassen, fast entspannt, wirkt auch Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf, als er am Montagnachmittag im Erlanger Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) auftritt.

Überm Stall ein schlechter Stern

Sein Sprecher eröffnet die Pressekonferenz lapidar, es gebe "leider schon wieder ein unerfreuliches Ereignis", und der Minister bedankt sich zunächst "für die Gastfreundschaft" in der seinem Ministerium untergeordneten Landesbehörde.

Buch; AP

Ortschild von Buch am Forst.

(Foto: Foto: AP)

So viel Zeit muss sein. Die offenkundige Routine beim Kampf gegen Seuchen und anderes Ungemach kommt nicht von ungefähr. Seit einem Jahr hüpft Minister Schnappauf von Krise zu Krise: Feinstaubbelastung in Bayerns Großstädten, Hochwasser, zwischendurch ein bisschen Vorbereitungen auf die Vogelgrippe, dann die Skandale um Gammel- und Wildfleisch, nun wieder Vogelgrippe.

Angesichts von 31 Millionen Masthähnchen - Enten und anderes Federtier nicht mitgezählt - wäre es für Bayern jedoch wirklich bedrohlich, wenn das tödliche H5N1-Virus tatsächlich auf einen Nutztierbestand überspringen sollte. Von der Entwarnung aus Riems weiß Schnappauf noch nichts, doch selbst wenn sich der schlimmste Verdacht bestätigen hätte - für die Bevölkerung, so betont er, habe sich das Risiko, sich mit der Vogelgrippe anzustecken, "nicht konkret und signifikant erhöht".

Das wäre erst dann der Fall, wenn das Virus nicht nur unter Tieren, sondern von Mensch zu Mensch übertragen werden könne. Dann, sagt Schnappauf, könnte man tatsächlich von einem Killervirus sprechen, denn gegen diesen hätte der Mensch keine Abwehrkräfte, und einen wirksamen Impfstoff gäbe es derzeit noch nicht.

"Es geht im Moment darum, dass wir ganz einfach schneller sein müssen als die Seuche", sagt er. Schnell will er nicht zuletzt auch deshalb sein, weil er ein Exportverbot der Europäischen Union für bayerisches Geflügel fürchtet. Neben ihm sitzen der oberfränkische Regierungspräsident Hans Angerer, der Lichtenfelser Landrat Reinhard Leutner und ein paar andere örtliche Krisenmanager.

Einer nach dem anderen referiert, wann er von dem Fall erfahren und vor allem, wie schnell er sofort reagiert habe. "Sehr profimäßig und zügig" sei man vorgegangen, sagt Angerer. Solche Formulierungen sind auf der Pressekonferenz viele zu hören, gleichsam als Prophylaxe gegen etwaige Vorhaltungen, die Behörden hätten zu spät reagiert.

Angst bei zwei weiteren Züchtern

Dabei behauptet das niemand. Kaum hatte die Frau des Geflügelzüchters dem Veterinäramt telefonisch die verendeten Tieren im Stall gemeldet, lief der Mechanismus zur Krisenbewältigung an. Wenige Stunden nach dem Auffinden der Tiere sezierte Karl-Heinz Bogner, oberster Veterinär des LGL, in Erlangen die toten Enten. Schon als er deren Leiber öffnete, fielen ihm die typischen Symptome für die Infektion mit dem Influenza-A-Virus auf: Entzündungen an den Atemwegen und angegriffene Herzbeutel.

Um zu klären, ob der Erreger H5N1 im Spiel war, schickte Bogner die Proben ins Friedrich-Loeffler-Institut nach Riems. Ein Express-Bote lieferte sie dort noch in der Nacht an. Gleichzeitig gingen auf dem betroffenen Hof acht Tierärzte an ihr tödliches Werk. Im Stall des Geflügelzüchters injizierten sie in der Nacht zum Montag allen Tieren ein tödliches Medikament. Das Keulen des gesamten Bestandes dauerte bis drei Uhr früh.

Die erkrankten Tiere gehörten zu einer Lieferung von 200 Jungenten und Masthähnchen, die dem oberfränkischen Geflügelbauern am Mittwoch aus Vechta geliefert wurden. Auch zwei weitere Züchter im selben Landkreis und im benachbarten Kronach erhielten mit derselben Lieferung Jungtiere. Bei diesen beiden Bauern wurden keine kranken Tiere entdeckt. Auch für den Hof des Lieferanten in Niedersachsen gab es am Montagabend Entwarnung: Kein H5N1-Befall.

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