Reparationsforderungen Athens an Deutschland:Schuld und Schulden

Bundespräsident Gauck in Griechenland

Bundespräsident Joachim Gauck (l) und der griechische Präsident Karolos Papoulias in Athen während seines dreitägigen Besuchs in Griechenland.

(Foto: dpa)

Griechenlands Präsident Papoulias überrascht seinen deutschen Amtskollegen Gauck mit der vehementen Forderung nach Reparationen für NS-Unrecht. Unglücklicherweise fallen die Erinnerung an die deutsche Besatzung und Griechenlands Schulden zeitlich zusammen. So als mache Athen in finanzieller Not alte Rechnungen auf.

Ein Kommentar von Christiane Schlötzer

Bundespräsident Joachim Gauck wusste, dass dies kein entspannter Ägäis-Ausflug werden würde. Von der Dringlichkeit aber, mit der sein Gastgeber Karolos Papoulias die Forderung nach Reparationen für NS-Unrecht vortrug, dürfte Gauck doch überrascht gewesen sein. "Verhandlungen sofort", verlangte der griechische Staatspräsident.

Papoulias ist 84 Jahre alt, als 14-Jähriger hat er gegen die deutschen Besatzer gekämpft. Dazwischen liegen 70 Jahre, in denen die Verbrechen in Griechenland "leider ungesühnt" geblieben sind, wie Gauck in Athen gesagt hat. Es ist verständlich, dass Papoulias das Gefühl hat, er - und sein Land - hätten schon viel zu lange darauf gewartet, dass sich jemand an das Unrecht von einst erinnert und daraus auch ein paar Konsequenzen zieht.

Unglücklicherweise fallen nun die Erinnerung an die "moralische Schuld" (Gauck) und Griechenlands Schulden zeitlich zusammen. So als mache Athen in finanzieller Not alte Rechnungen auf. Nur: Von griechischer Seite wurde die Reparationsfrage immer wieder vorgetragen, mal entschieden, mal weniger nachdrücklich.

Überlebende aus Massaker-Orten haben sich zudem bis zum Europäischen Gerichtshof durchgeklagt. Ohne Erfolg. Gegen den Grundsatz der Staatenimmunität sind individuelle Kläger machtlos.

Außerhalb des Rechtswegs aber war auch jeder andere Weg für die Griechen versperrt. Mit den Staaten Osteuropas hat Deutschland nach dem Fall des Eisernen Vorhangs über Zwangsarbeiterentschädigungen verhandelt. Griechenland blieb außen vor.

Es gehörte ja schon zur EU. Und die Griechen hatten "keine Lobby", wie der deutsch-griechische Historiker Hagen Fleischer sagt, der die deutsche Okkupation und ihre Folgen seit Jahrzehnten erforscht. Der Historiker hat vor dem Gauck-Besuch daran erinnert, dass Griechenland in mehrfacher Hinsicht aus dem Rahmen fällt - eben auch mit jenem Kriegskredit, den die Nazis von der Athener Zentralbank erpressten, fast 500 Millionen Reichsmark. Auch über diese alte Anleihe fordert Papoulias nun Verhandlungen.

Den Griechen wieder die kalte Schulter zu zeigen und auf erneutes Vergessen zu hoffen, wäre billig. Berlin sollte sich stattdessen einen kreativen Kompromiss ausdenken. Es gibt viele Möglichkeiten. Großzügige Stipendien-Programme für die Opfergemeinden, Hilfe bei Infrastrukturprojekten.

Das geplante deutsch-griechische Jugendwerk ist schon eine gute Idee. Eine gemeinsame Schulbuchkommission wäre eine zweite. Damit Griechenlandurlauber irgendwann nicht mehr so ahnungslos sind, wenn sie auf Kreta vor einem Massaker-Mahnmal stehen oder in Thessaloniki vor dem Deportations-Denkmal.

Griechenland war 1956, elf Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, das erste Land, das einen Bundespräsidenten (Theodor Heuss) empfangen wollte. Danach war das Verhältnis meist gut. Erst jüngst ist es abgekühlt - quasi ein Kollateralschaden der europäischen Krisenpolitik. Es wird Zeit, dass sich das wieder ändert.

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