Krise in Griechenland:Italiens Angst vor der Ansteckung

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"Wir gehen einen mutigen Weg": Renzi will Italien refomieren, aber seine Maßnahmen ziehen nur langsam. (Foto: Thierry Charlier/AFP)
  • Die italienische Regierung beteuert die wirtschaftliche Stabilität des Landes.
  • Doch ein möglicher Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone könnte auch Italien in Bedrängnis bringen.
  • Auch politisch gerät Premier Matteo Renzi, der bisher ein verlässlicher Partner von Kanzlerin Angela Merkel ist, zuehmend unter Druck.

Von Stefan Ulrich, München

Als Alexis Tsipras im Januar griechischer Premier wurde, schaute er sich nach Verbündeten in Europa um. Da fiel sein Auge auf Italien, mit dem es viele Gemeinsamkeiten zu geben schien. Auch Italien litt unter hohen Staatsschulden, Wachstumsschwäche und Arbeitslosigkeit. Auch in Rom regierte in Matteo Renzi ein junger Ministerpräsident, der einer linken Partei entstammte. Und dieser Renzi hatte den von Deutschland propagierten Sparzwang kritisiert und eine Wachstumspolitik gefordert. Er war anscheinend der ideale Kampfgefährte.

Doch dann musste Tsipras feststellen, dass er bei seinem Antrittsbesuch in Rom von Renzi nur eine Krawatte geschenkt bekam. Der Italiener dachte gar nicht daran, sich ins Lager des Griechen zu begeben, nun, da Italien die Vertrauenskrise an den Märkten überwunden hatte. Fortan zeigte sich Renzi in der Griechenland-Frage als verlässlicher Partner von Kanzlerin Angela Merkel. Dennoch könnte Italien von der Krisenwelle erfasst werden, die von einem griechischen Zusammenbruch ausgehen würde. In Rom geht daher jetzt die Angst vor einem contagio, einer Ansteckung, um.

Italien sei außerhalb der Gefahrenzone, sagt Renzi

Entsprechend eifrig versucht die Regierung, Italien immun zu reden. Renzi betont, sein Land sei außerhalb der Gefahrenzone. "Wir gehen einen mutigen Weg der Strukturreformen, die Wirtschaft wächst wieder und der Schirm der Europäischen Zentralbank schützt uns", sagte er der Zeitung Il Sole 24 Ore. Früher sei Italien ein Problemstaat gewesen, heute zeige es Lösungen auf. Sein Finanzminister Pier Carlo Padoan ergänzte, es sei verfehlt, einen Zusammenhang zwischen einem Grexit und Italien herzustellen. Auch betont man in Rom gern, EZB-Chef Mario Draghi, ein Italiener, werde darauf achten, dass sein Heimatland nicht in Bedrängnis kommt.

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Doch so sicher, wie das die Regierung behauptet, steht Italien nicht da. Ein Grexit könnte gleich drei Risiken anschwellen lassen, die dem Land drohen: ein finanzielles, ein wirtschaftliches und ein politisches.

Finanziell hat das Land Schulden in Höhe von 133 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, das ist die zweithöchste Quote aller Euro-Staaten. Die Neuverschuldung soll 2015 knapp unter der nach EU-Regeln erlaubten Höchstmarke von drei Prozent der Wirtschaftsleistung liegen. Wenn alles gut geht. Ein Grexit könnte die Zinsen , die Italien für neue Staatsanleihen zahlen muss, steigen lassen. Dies würde sich negativ auf die Neuverschuldung auswirken, was wiederum die Märkte beunruhigen würde. Ein Teufelskreis. Italien ist zudem mit Krediten in Höhe von 40 Milliarden Euro einer der größten Gläubiger Griechenlands.

Auch die Wirtschaft gibt wenig Grund zur Zuversicht. Obwohl Renzi etliche Reformen angepackt hat, darunter eine viel gepriesene Arbeitsmarktreform, zeigen sich noch kaum Wirkungen. Das Wachstum ist, nach Jahren der Stagnation und Rezession, "anfällig und langsam", wie der Internationale Währungsfonds diese Woche warnte. Für das laufende Jahr sei nur mit einem Wachstum von 0,7 Prozent zu rechnen. Manche Regierungskritiker in Italien warnen, auch diese Prognose sei noch zu hoch.

Vor allem aber setzt die Griechenland-Krise Renzi politisch unter Druck. Europa-skeptische Parteien wie die Lega Nord und Forza Italia werfen dem Premier vor, er mache sich zum Büttel Merkels und deren Sparpolitik. Renzi habe in Europa kein eigenes Gewicht. Auch von der radikalen Linken und vom linken Flügel in seiner eigenen sozialdemokratischen Partei setzt es Kritik an Renzi. Hier wird dem Regierungschef vorgeworfen, er lasse die Griechen im Stich.

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Sympathie und Solidarität für die Griechen

Radikale aller Seiten feierten das Nein der Griechen im Referendum vom Sonntag, und etliche Kommentatoren taten es ihnen nach. Von einem Sieg der Demokratie über ein kaltes, sparwütiges Deutschland war die Rede. Ex-Premier Massimo D'Alema, ein Parteifreund Renzis, sagte der Zeitung La Stampa, Europa fehle ein Mann wie Helmut Kohl: "Er rettete Ostdeutschland in einer Nacht." Beppe Grillo, der Anführer der oppositionellen Fünf-Sterne-Bewegung, forderte, die Italiener über den Euro abstimmen zu lassen.

In Italien könnte die Stabilität seit dem Amtsantritt Renzis im Februar 2014 also in Gefahr geraten, wenn Griechenland abstürzt. Das wissen die Partner in Berlin und Brüssel. Doch sie hüten sich davor, das so auszusprechen. Einer, der die Lage in Italien genau kennt und dennoch frei sprechen kann, ist Reinhard Schäfers. Er war bis zum 30. Juni deutscher Botschafter in Rom und ist nun im Ruhestand. Er sagt, Italien sei zwar momentan, "aber keineswegs definitiv aus der Schusslinie". Das Land stecke nach wie vor in einer wirtschaftlichen und finanziellen Misere. "Ein Grexit würde Italien da wirklich treffen."

Premierminister Renzi stehe unter großem Druck, sagt Schäfers. Der Regierungschef sei derzeit jedoch nicht gefährdet, da es weder auf der Rechten noch auf der Linken eine glaubwürdige Alternative zu ihm gebe. Die schlimme Lage Griechenlands schrecke viele Italiener von Experimenten ab. Sie empfänden zwar Sympathie und Solidarität für die Griechen. Doch das komme eher rhetorisch als in Taten zum Ausdruck. Dies spiegelt sich in Renzis Haltung wider. Einerseits fordert er einen Wandel in Europa und bietet sich als Mittler zwischen Griechen und Deutschen an. Andererseits achtet er darauf, Distanz zu dem gleichaltrigen Kollegen in Athen zu halten. Der trägt Renzis Krawatte immer noch nicht.

© SZ vom 10.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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