Rentenreform:Schäuble hütet seinen Schatz

Der Finanzminister zahlt nur die Hälfte der Kosten für die Angleichung der Renten - die andere Hälfte wird aus der Rentenkasse genommen.

Von Thomas ÖchsneR, Berlin

Wenn es um seinen Haushalt geht, kann Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein ziemlich sturer Hüter seines Schatzes sein. Ressortkollegen, die von Schäuble Steuergeld loseisen wollen, müssen bei Deutschlands oberstem Schatzmeister um jeden Euro kämpfen. So erging es nun auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) im Streit um die Finanzierung der Renteneinheit, der nach wochenlangem Gezerre in der Koalition rechtzeitig vor Weihnachten beendet wurde: Schäuble rückt für die Angleichung der Ostrenten an das Westniveau nun Geld heraus - aber längst nicht so viel, wie Nahles gern gehabt hätte. Langfristig wird aus dem Bundeshaushalt die Hälfte der Kosten übernommen. Die andere Hälfte wird aus der Rentenkasse entnommen.

Für Menschen in Ostdeutschland ist es seit Jahren ein großes Ärgernis: Mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Fall der Mauer ist Deutschland bei der gesetzlichen Rente noch tief gespalten. Das liegt an den unterschiedlichen Rentenpunkten. Ein Durchschnittsverdiener (im Westen derzeit 3022 Euro brutto pro Monat) sammelt in 45 Arbeitsjahren 45 Rentenpunkte. Derzeit beläuft sich ein Rentenpunkt im Osten aber auf 28,66 Euro, im Westen auf 30,45 Euro. Schon im Koalitionsvertrag von Union und SPD war daher vorgesehen, diese Werte anzugleichen und ein einheitliches Rentenrecht zu schaffen. Dann passierte lange nichts. Erst vor etwa vier Wochen, am 24. November, einigte sich die Koalition darauf, den Rentenwert im Osten in sieben Schritten vom 1. Juli 2018 bis 1. Juli 2024 an den Westwert anzugleichen - fünf Jahre später, als es im Koalitionsvertrag vorgesehen war. Doch schon einen Tag später brach ein bizarrer Streit darüber los, wer das Ganze bezahlen soll.

Für Nahles war klar: Die Renten-Einheit ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft. Daher müssen die Steuerzahler dafür aufkommen. Genauso argumentierte der Sozialbeirat, also die Rentenberater der Bundesregierung. Das Geld dürfe "nicht aus Beiträgen" stammen, hieß es in deren Jahresgutachten. Schäuble pochte hingegen darauf, dass die Beitragszahler die Finanzierung übernehmen sollen.

Die Rentenversicherung hält den Steuerzuschuss für "in keiner Weise ausreichend"

Sondersitzung des Bundestages

Die Kosten für die Rentenreform von Andrea Nahles zahlt zuerst die Rentenversicherung, der Bund leistet von 2022 an Zuschüsse in Millionenhöhe.

(Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Der Kompromiss, auf den sich Schäuble und Nahles geeinigt haben, sieht nun vor, dass die Rentenversicherung die ersten Jahre der Angleichung allein bezahlen muss. 2018 sind die Kosten mit 600 Millionen Euro noch verhältnismäßig gering. Von 2022 an gibt es dann einen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt. Dieser beträgt nach Angaben der Ministerien zunächst 200 Millionen Euro. Dann wird der Betrag um jährlich 600 Millionen Euro erhöht, bis er vom Jahr 2025 an zwei Milliarden Euro beträgt. Wenn Schäuble also vermutlich nicht mehr Bundesfinanzminister sein wird, zahlt der Bund etwa die Hälfte der jährlichen Mehrausgaben von 3,9 Milliarden Euro. "Damit sichern wir die Interessen der Steuerzahler und Beitragszahler gleichermaßen", sagte der CDU-Politiker. Nahles wies darauf hin, dass die Beitragsziele so "vollumfänglich eingehalten werden". Die gesetzliche Obergrenze für den Beitragssatz liegt bei 22 Prozent bis 2030. Zurzeit sind 18,7 Prozent fällig.

Die Deutsche Rentenversicherung hält von dieser Lösung allerdings nichts: Der Steuerzuschuss sei "in keiner Weise ausreichend", hieß es in einer Stellungnahme. Die Finanzierung der Mehrausgaben müsse "systematisch korrekt aus Steuermitteln erfolgen". Die Deutsche Einheit im Rentenrecht sei "von allen Bürgern im Rahmen ihrer steuerlichen Leistungsfähigkeit aus Steuermitteln zu finanzieren".

Von der Rentengleichung profitieren die vier Millionen Rentner im Osten und Ost-Versicherte, die bis 2024 in Rente gehen. Diese Rentner erhalten von 2018 bis 2024 einen Extra-Aufschlag auf ihr Altersgeld. Verlierer sind Millionen jüngere Arbeitnehmer im Osten des Landes. Ihre Löhne werden für die Berechnung der Rente bislang kräftig aufgewertet. Der Nachteil bei den unterschiedlich hohen Rentenpunkten (28,66 statt 30,45 Euro) wird dadurch mehr als ausgeglichen. Dies führt dazu, dass ein Arbeitnehmer im Osten für den gleichen Beitrag einen um acht Prozent höheren Rentenanspruch erwirbt als ein Beschäftigter im Westen. Dieser Vorteil wird bis 2025 schrittweise abgeschmolzen.

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