Rentenreform:Risiko Altersarmut

Die Union legt einen Reformplan zum Thema Betriebsrenten vor - Finanzminister Schäuble äußert schon mal Bedenken.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD gibt es einen klaren Auftrag: Wir wollen, heißt es darin, "die betriebliche Altersvorsorge stärken". Konkret passiert ist seitdem nicht viel, von einem umstrittenen Vorstoß von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) abgesehen, die die Zusatzvorsorge in den Unternehmen über Tarifverträge stärken will. Nun aber scheint es etwas mehr voranzugehen.

Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat am Freitag ihre Reformvorschläge vorgestellt. Zugleich veröffentlichten das Arbeits- und das Bundesfinanzministerium Gutachten zur betrieblichen Altersvorsorge. Werden die neuen Ideen umgesetzt, dürften vor allem Geringverdiener davon profitieren. Es reiche nicht aus, das Rentenniveau vor Steuern zu stabilisieren, sagte der CDU-Sozialexperte Peter Weiß. CSU-Chef Horst Seehofer und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatten sich zuvor dafür starkgemacht, das Rentenniveau nicht weiter sinken zu lassen.

Am Anfang war eine gute Idee: Im Zuge der Rentenreformen erhielten 2002 alle Arbeitnehmer das Recht, über den Arbeitgeber zusätzlich fürs Alter vorzusorgen. Jeder Mitarbeiter kann einen Teil seines Lohns abknapsen und zum Beispiel in eine Pensionskasse stecken - und dabei kräftig Steuern und Sozialabgaben sparen. Doch während in den großen Unternehmen die betriebliche Altersvorsorge (BAV) weit verbreitet ist, hat in Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten nur fast jeder Dritte Anspruch auf eine Betriebsrente. Hinzu kommt: "42 Prozent der Geringverdiener mit einem Bruttolohn von weniger als 1500 Euro haben weder eine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung noch einen Riester-Vertrag", heißt es in dem Gutachten der Rechtsexperten Peter Hanau und Marco Arteaga für das Arbeitsministerium.

Rentenreform: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.

(Foto: AFP)

Kleinbetriebe wissen über die Zusatzvorsorge viel zu wenig, sagen die Gutachter

Das Gutachten des Würzburger Professors Dirk Kiesewetter fürs Finanzministerium listet weitere Probleme auf: So sei der Kenntnisstand in Sachen BAV bei kleinen Arbeitgebern "sehr gering". Bei den Arbeitnehmern sei es ein "Hemmnis", dass gesetzlich Versicherte, die einen Teil ihres Gehalts für eine spätere Betriebsrente umgewandelt haben, im Ruhestand von ihrer Betriebsrente den vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag abzweigen müssen. Zugleich hätten sie Einbußen bei der Rente, weil während der Einzahlung ihre Beiträge für die spätere Betriebsrente sozialabgabenfrei sind.

Die Gutachter für Nahles schlagen nun erneut vor, das Thema Betriebsrenten stärker in Tarifverträge einzubinden. Durch dieses "Sozialpartnermodell" gebe es "bessere Konditionen durch eine hohe Anzahl Mitglieder". Der Verwaltungsaufwand für den Arbeitgeber sei geringer. Für diesen müsse mit der Zahlung des Beitrags "alles erledigt" sein, ohne weitere Verpflichtungen in der Zukunft. Die Gutachter regen an, in den Verträgen für den Fall der Erwerbsminderung vorzusorgen. Hier liege "wegen der meist eher niedrigen Leistungen aus der Rentenversicherung für die Betroffenen ein nicht zu unterschätzendes Armutsrisiko". Außerdem fordern sie, dass die Betriebsrente nicht mehr ganz oder teilweise auf die staatliche Grundsicherung angerechnet wird.

Sanfter Zwerg

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hat ein Arbeitnehmer 2012 im Durchschnitt 362 Euro in die betriebliche Altersvorsorge (BAV) investiert. Es gibt jedoch große Unterschiede: Mitarbeiter in der Finanzwirtschaft gaben dafür 1115 Euro im Jahr aus, in der Gastronomie nur 59 Euro. Vor allem bei Geringverdienern ist die BAV wenig verbreitet. Die Union schlägt nun vor, Arbeitgeber dazu zu verpflichten, jedem Arbeitnehmer per Arbeitsvertrag ein Angebot für Betriebsrenten zu unterbreiten. Wer nicht mitmachen will, muss dies ausdrücklich erklären.

Die Gutachter im Auftrag des Arbeitsministeriums empfehlen, Firmen in Tarifverträgen zu verpflichten, ihren Belegschaften ein zusätzliches Versorgungssystem anzubieten. In anderen Ländern sind Modelle nach dem Prinzip "sanfter Zwang" sehr erfolgreich. In Großbritannien ist der Anteil der Beschäftigten, die sich so eine Zusatzversorgung aufbauen, von 55 auf gut 90 Prozent gestiegen. Thomas Öchsner

Die Gutachter für Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) empfehlen, dass der Arbeitgeber bei der Umwandlung von Gehalt für eine spätere Betriebsrente einen Zuschuss zahlen muss, da er dabei ja selbst Sozialbeiträge spart. Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten müssten für ihre Beiträge zur BAV zusätzlich Steueranreize erhalten. Nötig seien außerdem staatliche Extra-Zulagen in der betrieblichen Altersvorsorge. Davon könnten vor allem Geringverdiener profitieren, die weniger Steuervorteile haben.

Die Union schlägt ebenfalls vor, die Arbeitgeber zu eigenen Beiträgen, zumindest in Höhe der eingesparten Beiträge zur Kranken- und Pflegekasse zu verpflichten. Auch sprechen sie sich für Zulagen wie bei der Riester-Rente aus.

Was tatsächlich Gesetz wird, dürfte vor allem von Schäuble abhängen - ein neues Fördermodell kostet ja Steuergeld. Das Finanzministerium ließ jedenfalls schon mal verlauten, dass es Bedenken gegen eine Zuschusspflicht des Arbeitgebers und gegen neue Steuervorteile für Kleinbetriebe habe.

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