Rentenreform:Gefahr der Altersarmut befeuert Renten-Diskussion

Eine neue Studie warnt davor, dass immer mehr Senioren das Geld nicht reichen wird. Bundesarbeitsministerin Nahles nutzt die Gelegenheit, um Kanzlerin Merkel zu attackieren.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Eine neue Untersuchung zum steigenden Risiko der Altersarmut hat die Debatte über die Zukunft der gesetzlichen Rente neu entfacht. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) griff Bundeskanzlerin Angela Merkel scharf an: "Die Weigerung von Frau Merkel, ein Konzept für eine verlässliche Rente der Zukunft vorzulegen, hat dramatische Konsequenzen für eine wachsende Anzahl von Menschen", sagte Nahles. Aus der Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung geht hervor, dass die Altersarmut in Deutschland in den nächsten 20 Jahren deutlich steigen wird.

Nahles sagte: "Wer ein Leben lang gearbeitet hat, muss im Alter mehr haben als die staatliche Grundsicherung." Es sei deshalb falsch gewesen, dass die Kanzlerin und die Union die Solidarrente für Geringverdiener abgelehnt hätten, kritisierte die Ministerin. Die beste Prävention gegen Altersarmut seien aber "anständige Löhne" und eine "gute Arbeit".

Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschafts-Bund (DGB), sagte: "Die Bundeskanzlerin irrt, wenn sie meint, man müsse bis 2030 nichts tun." Union und Merkel hatten sich dafür ausgesprochen, nach der Bundestagswahl eine Experten-Kommission einzusetzen, die in Ruhe mögliche Reformvorschläge erarbeiten soll. Sie sehen im Moment keinen Grund, schnell neue Reformen einzuleiten. "Unser Rentensystem steht bis 2030 auf stabilen Füßen", sagte Finanzstaatssekretär Jens Spahn (CDU).

Die neue Studie hatten das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erstellt. Demnach könnten bis 2036 etwa sieben Prozent der Neurentner ein so geringes Einkommen haben, dass sie auf die staatliche Grundsicherung im Alter angewiesen sein werden. Das wäre ein Anstieg um gut 25 Prozent.

Besonders alleinstehenden Rentnerinnen könnte künftig ihr Geld nicht reichen. Bei ihnen dürfte sich der Anteil der Grundsicherungsempfänger von 16,2 auf 27,8 Prozent bis 2036 erhöhen, rechnen DIW und ZEW vor. Die staatliche Grundsicherung im Alter beläuft sich derzeit auf durchschnittlich knapp 800 Euro im Monat.

Als zweite Messlatte wählten die Forscher das Risiko, in die Altersarmut abzurutschen. Das beginnt derzeit bei einem alleinstehenden Rentner unterhalb einer monatlichen Einkommensschwelle von netto 958 Euro. Demnach wäre etwa jeder fünfte Neu-Rentner bis 2036 von Altersarmut bedroht. Derzeit trifft das nur auf knapp jeden sechsten zu. Besonders hoch sei das Risiko für Rentner aus den neuen Bundesländern, Menschen ohne Berufsausbildung und Langzeitarbeitslose. An diesen Risikogruppen gingen aber die meisten der in der Regierung diskutierten Reformvorschläge vorbei, kritisierten die Forscher. Dazu gehörten auch Forderungen, das Rentenniveau zu stabilisieren oder zu erhöhen.

Die Deutsche Rentenversicherung wies darauf hin, "dass eine noch so gute Alterssicherung die Defizite, die während eines langen Berufslebens bestehen, im Alter nicht mehr vollständig ausgleichen kann".

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