Rentenkonzept des SPD-Chefs:Gabriel erlebt sein rotes Wunder

Sigmar Gabriel hat den monatelangen Rentenstreit innerhalb der SPD beendet. Der Vorsitzende konnte seiner Partei klarmachen, dass das beste Mittel gegen die Altersarmut nicht zusätzliche Milliardenausgaben sind, sondern ein Mindestlohn, der eine halbwegs anständige Altersvorsorge garantiert.

Susanne Höll, Berlin

Die deutsche Sozialdemokratie kann am Samstag in Berlin ein kleines Wunder feiern. Denn sie wird, in mutmaßlich großer Einigkeit, ein Rentenkonzept verabschieden, über das sie ein ganzes Jahr lang heftig gestritten hatte. Die einen - und bei Weitem nicht nur der linke Flügel - wollten die Reformen der vergangenen zehn zurücknehmen und im Fall einer Regierungsübernahme 2013 nahezu 30 Milliarden Euro mehr in die Rente stecken, mit der Begründung, das Rentenniveau müsse bis 2030 auf dem aktuellem Niveau von knapp 50 Prozent des Nettolohns gehalten werden.

Die anderen, darunter auch Parteichef Sigmar Gabriel und der designierte Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, hielten dagegen, warnten eindringlich davor, den demografischen Wandel zu ignorieren, die Jungen mit hohen Rentenbeiträgen zu überlasten und Arbeitsplätze zu riskieren.

Zwischenzeitlich schien sich Gabriel, der die Rentenfrage zur Chefsache gemacht hatte, in Konzepten und Kommissionen zu verheddern, mehrfach wurde die Präsentation des Rentenkonzepts verschoben. In seiner Not bat er den großen NRW-Landesverband um Hilfe, der einen Kompromiss erarbeitete. Der lautet so: Eine grundsätzliche Rentenreform wird die SPD erst 2020 vornehmen. Aber wenn sie nächstes Jahr tatsächlich an die Regierung kommen sollte, werden Geringverdiener, Schwerarbeiter und Kranke eine bessere Altersvorsorge erhalten. Kleinst-Renten sollen einen aus Steuermitteln aufgestockten Betrag von 850 Euro erhalten. Der Zugang zu Erwerbsminderungsrenten wird leichter, Arbeitnehmer mit 40 Versicherungsjahren dürfen schon vor ihrem 65. Geburtstag aus dem Job scheiden.

Selbst die einst härtesten Kritiker finden diesen Vorschlag nun gut. Gabriel freut sich, dass die SPD mit der sogenannten Solidarrente eine nach Expertenurteil bessere Idee gegen Altersarmut präsentiert als Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU).

Alle miteinander fragen sich, warum man nicht viel früher auf den Kompromiss kam. Denn der Rentenstreit hatte im Frühherbst die Kanzlerkandidatenfrage belastet. Der designierte Herausforderer Peer Steinbrück hätte erklärtermaßen Änderungen an der von Rot-Grün geänderten Rentenformel nicht mitgetragen. Jetzt ist auch er zufrieden. Gabriel und dessen Mitstreiter konnten der Partei klarmachen, dass das beste Mittel gegen die Altersarmut nicht zusätzliche Milliardenausgaben sind, sondern ein Mindestlohn, der auskömmliche Einkünfte und eine halbwegs anständige Altersvorsorge garantiert.

Angleichung zwischen Ost und West

Zudem soll am Samstag eine Lücke im Rentenkonzept gefüllt werden, die besonders die ostdeutschen Landesverbände quält. Der Bundesvorstand präzisierte auf Initiative insbesondere der Vizeparteivorsitzenden Manuela Schwesig die Pläne zur Angleichung der Renten zwischen Ost und West.

Bis 2020 will die SPD danach die Unterschiede stufenweise abschaffen. In einem ersten Schritt sollen pauschal bewertete Versicherungszeiten wie etwa die Kindererziehung oder der Wehr- und Zivildienst einheitlich mit dem aktuellen Rentenwert West berechnet werden. Für notleidende Ost-Rentner, die aus juristischen Gründen nicht in das bundesdeutsche Rentenrecht eingebunden sind, soll es einen aus Steuermitteln finanzierten Härtefall-Fonds geben.

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