Rentenerhöhung um 1,1 Prozent:Rache am jungen Nicht-Wähler

Die Volksparteien setzen auf die Stimmen der Älteren - und erhöhen die Renten auf Kosten jüngerer Beitragszahler.

Guido Bohsem

Wer würde es den Rentnern nicht gönnen? Die meisten haben ihr ganzes Leben hart gearbeitet, in Sozial- und Steuerkassen des Staates gezahlt, sich ein verträgliche Auskommen im Alter verdient. Sie sind durch Nullrunden und nur mäßige Anhebung der Renten zuletzt arg gebeutelt worden. Jetzt ist die große Koalition so großzügig, die Rentenformel für zwei Jahre zu ändern und die Bezüge der Ruheständler doppelt so stark steigen zu lassen als vorgesehen.

Verlässliche Wähler: die ältere Generation

Verlässliche Wähler: die ältere Generation

(Foto: Foto: dpa)

Man könnte meinen, hinter dem Schritt stecke eine zutiefst empfundene Solidarität mit den Alten, und das soziale Gewissen melde sich nach Jahren harter Reformpolitik wieder. Schließlich fressen die hohe Geldentwertung und der Anstieg der Beiträge zur Pflegeversicherung den Rentnern ein gutes Stück ihres Einkommens weg.

Man könnte es so sehen, es wäre aber naiv. Zynischer, aber weitaus näher an der politischen Realität ist es, hinter der Anpassung ein kaltes Machtkalkül der SPD und der Union zu vermuten. Die beiden Volksparteien rächen sich am jungen Nicht-Wähler.

Erstmals wird bei der Bundestagswahl 2009 die Zahl der Wähler über 60 Jahren größer sein als die der Wähler aus der jüngeren, arbeitenden Generation. Das hat mit dem stetig wachsenden Anteil der älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung zu tun - und vor allem damit, dass die Alten treu wählen gehen, während immer mehr Junge keine Lust darauf haben, ihre Stimme abzugeben.

Die Bundestagsabgeordneten erleben das, wenn sie in ihren Wahlkreisen unterwegs sind. Die Alten kommen zu den Veranstaltungen, sie interessieren sich. Den meisten Jungen ist Politik egal, sie bleiben fern. Das zahlen die Politiker ihnen jetzt heim.

So gesehen ist es verständlich, die Rentner auf Kosten der jungen Beitragszahler zu bedienen. Für das Land ist es trotzdem falsch. Es gelten nämlich nach wie vor die Gründe, die die rot-grüne Regierung einst dazu bewogen haben, den Anstieg der Renten zu bremsen. Das gesetzliche Rentensystem soll auch nach 2030 noch bezahlbar sein, wenn immer weniger Junge immer mehr Alte finanzieren müssen und der demographische Wandel sich mit voller Härte auswirkt.

Es ist mehr als fraglich, ob das wahltaktische Kalkül der Koalition tatsächlich aufgehen wird - oder einzig die Rentenkasse geschwächt wird. Der Zorn der Rentner lässt sich nämlich auch nicht durch den einprozentigen Anstieg ihrer Bezüge mildern, den sie jetzt für 2008 erwarten können. Dafür werden Oskar Lafontaine und die Linkspartei schon sorgen, die den wählenden Alten immer noch ein bisschen mehr anbieten.

Eigentlich hätte die Koalition nur bis 2009 warten müssen. Im Juli vor der Bundestagswahl werden die Renten aller Voraussicht nach ohnehin kräftig steigen, denn sie sind immer auch ein Stück weit an die Löhne gekoppelt, und so werden die Alten 2009 von den Lohnabschlüssen profitieren, über die Arbeiter und Gewerkschaften derzeit so hart verhandeln wie seit langem nicht mehr.

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