Religionsfreiheit vs. Staatsreligion Islam:"Es gibt positive Signale aus Kabul"

Was kann Deutschland tun, um Religionsfreiheit in Afghanistan einzufordern - und dem vom Islam zum Christentum übergetretenen Abdul Rahman das Leben zu retten? Gespräch mit Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt.

Von Oliver Das Gupta.

sueddeutsche.de: Die Kanzlerin und der Außenminister haben sich besorgt über den Fall Abdul Rahman gezeigt. Was wird die Regierung unternehmen, um ihm zu helfen?

SPD-Politiker Gernot Erler

SPD-Politiker Gernot Erler

(Foto: Foto: AP)

Gernot Erler: Unsere Möglichkeiten, auf die politische Seite einzuwirken, nehmen wir sehr aktiv wahr. Gestern telefonierte Außenminister Steinmeier mit seinem afghanischen Amtskollegen.

Darüberhinaus gibt es positive Signale aus Kabul. Das Verfahren gegen Abdul Rahman soll für zwei Monate ausgesetzt werden. So kann eine nicht so schreckliche Lösung leichter gefunden werden.

sueddeutsche.de: Ob nun Todesurteil oder Haftstrafe: Muss die afghanische Haltung zur Glaubensfreiheit nicht grundsätzlich geklärt werden?

Erler: Ja, ich halte es sehr für wünschenswert, dass das geklärt wird. Schließlich können sonst zwei Rechtsgüter kollidieren, was zu solchen schwierigen Situationen führen kann.

sueddeutsche.de: Glauben Sie, dass die afghanische Gesellschaft so weit ist, diesen Schritt zu gehen?

Erler: Für die Afghanen wird jetzt sichtbar, zu welchen Komplikationen das führen kann. Von diesem Fall kann ein Anstoß ausgehen, der zu einer solchen Klärung führt.

sueddeutsche.de: Und wenn sich im Bürgerkriegsland nichts ändert: Möchte es die Bundesregierung auch künftig bei Mahnungen belassen?

Erler: Für uns hat Priorität, die Umstände für Abdul Rahman zu verbessern. Dazu versucht die Bundesregierung beizutragen. Alles andere ist derzeit kontraproduktiv. Die Hilfe Deutschlands mit den Rechtsfragen in Verbindung zu bringen, hilft dem Angeklagten überhaupt nicht.

sueddeutsche.de: Warum pocht Berlin nicht auf die Einhaltung der Religionsfreiheit? Effiziente Druckmittel gäbe es ja, schließlich unterstützt Deutschland ja mit Geld und Soldaten.

Erler: Natürlich sollte man darüber sprechen, aber dabei nicht die afghanische Eigenverantwortung aushebeln. Unsere Verpflichtungen, die wir und die internationale Staatenwelt in Afghanistan haben, sind nicht identisch mit dem Recht, die Rechtsordnung in Afghanistan zu bestimmen.

sueddeutsche.de: Afghanische Politiker sehen das ähnlich - und haben auf Kritik aus Deutschland verärgert reagiert und sogar von Erpressung gesprochen.

Erler: Die afghanische Politik ist in einer schwierigen Phase, die neu gewählte Regierung muss noch bestätigt werden. Das führt natürlich dazu, dass der Fall Rahman auch eine Rolle spielt bei der innenpolitischen Profilierung afghanischer Politiker. Das sollte nicht zu größeren Aufregungen führen, auch wenn natürlich darüber diskutiert werden muss.

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