Religion:Der Islam gehört zur deutschen Debatte

München: Schmuckfoto, Symbolfoto: Pasing.  Pasinger Moschee.

Die Haci-Bayram-Moschee in Pasing, München.

(Foto: Stefanie Preuin)

Wer fragt, ob der Islam sich hierzulande integrieren lässt, ist noch lange kein Islamfeind. Doch wie Seehofer, Dobrindt und die NRW-Regierung das Thema angehen, ist zum Fürchten.

Ein Kommentar von Matthias Drobinski

Verständlich, dass es eine Islamdebatte in Deutschland gibt. Mehr als eine Million Muslime sind neu ins Land gekommen; vier Millionen wohnen hier schon länger, oft seit Jahrzehnten, und leben ihren Glauben. Es gibt Konflikte mit der Mehrheitsgesellschaft: Die türkisch-islamische Ditib feiert Präsident Erdoğan; die Zahl der militanten Salafisten steigt. Muslimische Schüler mobben jüdische Kinder, strengstgläubige Eltern binden Mädchen im Grundschulalter das Kopftuch um. Zu Recht gibt das Ärger - und Streit über Männer- und Frauenbilder, die Auslegung des Korans, die Loyalität zu Land und Grundgesetz. Wer da zweifelt, ob sich der real existierende Islam in Land und Gesellschaft integrieren lässt, ist noch lange kein Islamfeind.

Die Art und Weise aber, wie diese Debatte derzeit geführt wird, kann einen das Fürchten lehren. Sie ist geprägt vom Differenzierungsverlust, soziale und kulturelle Probleme werden der Religion zugeschrieben und damit ins Unlösbare überhöht. An die Stelle der kritischen Auseinandersetzung ist der große Verdacht getreten: Muslime können sich noch so sehr von Gewalt, Frauenverachtung, Fundamentalismus distanzieren - es bleibt die Vermutung, dass sie es nicht ernst meinen.

Das liegt auch daran, dass diese Debatte eine doppelte Funktion zu erfüllen hat: Sie soll klären, wie das Verhältnis von Mehrheit und muslimischer Minderheit sich entwickelt, wo Toleranz gefragt ist und wo die Grenzen der Toleranz liegen. Sie soll aber zugleich die verunsicherte Mehrheit einen, der zunehmend unklar ist, was sie zusammenhält, deren Heimaten unwirtlich zu werden drohen, die in ihrer religiösen Indifferenz vor den religiösen Muslimen erschrickt. Zuletzt hat die AfD sich dies zunutze gemacht, überwiegend auf Kosten der Unionsparteien.

CSU und CDU tun alles, um der Konkurrenz von der AfD das Thema zu entreißen

Das immerhin ist Horst Seehofer und Alexander Dobrindt gelungen mit ihrem Satz, dass zwar der Muslim, nicht aber der Islam zu Deutschland gehöre, und auch der nordrhein-westfälischen Landesregierung mit ihrem Vorstoß für ein Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren: Die AfD ist beim Thema Islam gerade ziemlich abgemeldet. Der Preis dafür ist aber hoch - er ist die Entheimatung der in Deutschland lebenden Muslime, damit die Mehrheit sich wieder ein bisschen heimischer fühlt. Denkt man die Seehofer-Dobrindt-These zu Ende, bedeutet sie: Muslime sind gut, wenn sie ihren Islam nicht zeigen und bestenfalls privat im stillen Kämmerlein praktizieren. Mit Religionsfreiheit hat das wenig zu tun.

Wie wäre es, wenn man sich Mühe gäbe und die Islamdebatte wieder stärker von der deutschen Identitätsdebatte trennte? Ganz wird das nicht gehen, aber schon ein bisschen würde sehr helfen. Konflikte blieben genug. Die Islamverbände sind zu wenig transparent, zu viele Prediger in den Moscheen sind des Deutschen unkundige Fundis; eine kritische Theologie steckt noch in ihren Anfängen. Aber es machte den Blick frei für Entwicklungen. Die ganz große Mehrheit der Muslime identifiziert sich mit dieser Gesellschaft, und es gibt die ersten jungen Islamvertreter, die den Dialog wollen - und können.

Und ja, es ist ein Skandal, wenn Eltern ein siebenjähriges Mädchen mit Kopftuch losschicken. Die Vorsitzende des nordrhein-westfälischen Grundschulverbandes aber kommt in ihrer Schule im Dortmunder Norden auf fünf Kinder. Da braucht es eine konsequente Schulleitung - ein Gesetz dagegen würde aber nur wenig helfen.

In einer früheren Version wurde behauptet, der Grundschullehrerverband hätte in ganz Nordrhein-Westfalen nur sechs Grundschulkinder gefunden, die ein Kopftuch tragen. Die Zahl bezog sich jedoch auf eine Grundschule im Dortmunder Norden; im Gespräch mit der SZ hat die Vorsitzende des Verbandes, Christiane Mika, diese Zahl auf fünf korrigiert.

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