Reiseverhalten:Bloß weg

Terroranschläge, Krisen, Extremisten - die Deutschen lassen sich die Urlaubslaune trotzdem nicht vermiesen. Die Lohnabschlüsse waren relativ hoch, die Zinsen sind niedrig - das beflügelt den Konsum: Wie sich die Reiselust ihre Wege sucht.

Von Jochen Temsch

Den Deutschen geht es gut. Das lässt sich an vielen Dingen festmachen - nicht zuletzt an ihrer Reisefreude. Im vergangenen Jahr unternahmen sie 69 Millionen Urlaubsreisen von mindestens fünf Tagen Dauer und gaben dafür 66 Milliarden Euro aus. Die Zahlen stammen aus der Reiseanalyse, einer seit 46 Jahren laufenden Untersuchung der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR). Einer ihrer Autoren, Ulf Sonntag, sieht auch für dieses Jahr des Terrors keine Trübung der Urlaubslaune. "Ob jemand in Urlaub fährt oder nicht, hängt weniger von der Einschätzung der globalen Lage ab, als von seiner eigenen wirtschaftlichen Situation", sagt er.

Die Lohnabschlüsse sind relativ hoch, die Zinsen niedrig - das beflügelt die Lust auf Konsum, die gerne auch im Reisebüro oder auf den Webseiten der Buchungsportale befriedigt wird. Seit Jahren gilt dabei eine alte Faustregel der Branche: Etwa ein Drittel aller Urlaubsreisen unternehmen die Deutschen in Deutschland, ein weiteres Drittel am Mittelmeer und das übrige Drittel im Rest der Welt.

Die unsichere Weltlage macht die Urlauber vorsichtiger - und flexibler

Aufgrund der unsicheren Weltlage sind die Reisenden aber vorsichtiger und flexibler geworden. Statt möglichst früh und mit Rabatt zu buchen, entscheiden sie sich kurzfristiger für ihr Urlaubsziel. Am Mittelmeer schwappte die Besucherwelle in diesem Sommer von Ost nach West. Die Türkei, eines der beliebtesten Ferienländer der Deutschen und im Jahr 2015 noch auf dem dritten Platz nach Spanien und Italien, ist dieses Jahr abgerutscht. Terror, Putsch, Verfolgung der Opposition - das Land kam nicht aus den negativen Schlagzeilen. In so einem Fall können sich Reiseveranstalter auch nicht auf das sonst notorisch schlechte Gedächtnis der Urlauber verlassen. Kehrt jedoch wieder Ruhe in einem Urlaubsland ein, kehren auch die Urlauber schnell dorthin zurück. Dieses Jahr allerdings konzentrierten sich die Deutschen weitgehend auf ihr seit jeher beliebtestes Auslandsziel, Spanien, das wegen Überfüllung fast schließen musste.

Die Deutschen nennen sich gerne Reiseweltmeister - mussten den Titel jedoch schon vor vier Jahren an die Chinesen abtreten. Diese gaben im Jahr 2012 etwa 102 Milliarden US-Dollar im Ausland aus - rund 20 Milliarden mehr als die Deutschen. Auch in Asien ist der wachsende Wohlstand Motor des Tourismus. Die Deutschen nennen sich außerdem gerne kulturinteressiert, machen dann aber doch vor allem Sightseeing. Studienreisen, die in die Tiefe gehen, werden nur von einer Minderheit gebucht. Der Inbegriff von Urlaub ist für die meisten der Aufenthalt am Strand, unterbrochen von Ausflügen in eine interessante Stadt und von anderen Aktivitäten. "Multioptional" sei der Urlauber, heißt es in der Sprache der Branche - nicht zu eintönig, aber auch nicht zu anstrengend möchte er es haben.

In zunehmendem Maße erfüllen auch Kreuzfahrtschiffe die Bedürfnisse der Deutschen. An Bord ist viel geboten, man kann aber auch am Pool liegen bleiben und kommt dennoch viel herum. Jedes Jahr gibt es mehr Schiffe, mehr Passagiere, zuletzt wurden 1,8 Millionen Deutsche an Bord gezählt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: