Reisen:Küss niemals einen Buddha

Thailand trauert um seinen König - das kann für ausländische Urlauber heikel werden. Über Missverständnisse auf Reisen.

Von Jochen Temsch

Deutsche Urlauber schauen gerade verunsichert nach Thailand - denn in der Wahrnehmung der meisten Touristen steht das Reiseziel für Friede, Freude, Bananenpfannkuchen. Das Meer ist warm, die Sonne strahlt, die Einheimischen sind freundlich. Und nun die staatlich verordnete Trauer um den verstorbenen König Bhumibol: Es gilt als strenge Pflicht, Schwarz und Weiß zu tragen. Bars sind geschlossen, Partys verboten - und wer nicht mitmacht, wird schon mal von einem wütenden Mob verdroschen. Ist das Land des Lächelns über Nacht zum Staat der Spaßverderber geworden?

Ganz so hart wird es für Urlauber gewiss nicht kommen. In jedem Land der Welt werden die Regeln für Gäste, die Geld bringen, weniger streng ausgelegt als für Einheimische. So ist es auch in Thailand, das Feierverbot gilt für 30 Tage. So wurde etwa die jüngste Vollmond-Party auf der Insel Ko Phangan abgesagt, die nächste kann schon wieder stattfinden. Besitzer von Bars und Nachtclubs dürfen selbst entscheiden, ob sie ihre Lokale öffnen. Urlauber müssten keine Trauer tragen, teilt die Tourismusbehörde TAT mit, allerdings seien "gedeckte Farben und Respekt zeigende Kleidung" erwünscht. Allzu viel Verständnis für ihre Kultur, Religion und Königsliebe erwarten die Thailänder ohnehin nicht von den Farangs, den Ausländern weißer Hautfarbe.

Westliche Touristen finden sittliche Vorschriften meist merkwürdig: Sie steigen in einer Welt ins Flugzeug, in der Staat und Kirche weitgehend getrennt und Freiheit und Individualität höchste Güter sind - und landen in einer völlig anderen Gesellschaft, deren Regeln sie oft nicht durchschauen und auch nicht unbedingt respektieren; schon gar nicht im Urlaub. Konflikte sind dadurch programmiert. Nicht nur in muslimischen Ländern, in denen das Tragen von Shorts als fast so unsittlich gilt wie ein Kuss in der Öffentlichkeit. Und nicht nur in Thailand, wo es schon eine Majestätsbeleidigung ist, eine Flasche Bier auf einem Geldschein abzustellen, der den König zeigt. Auch andere Länder Südostasiens, die als leicht zu bereisen gelten, haben ihre Tücken. Im vergangenen Sommer zum Beispiel wurde ein Spanier aus der Tempelstadt Bagan in Myanmar geworfen, weil er ein Buddha-Tattoo am Bein trug. Mönche empfanden das als Religionsbeleidigung. In Sri Lanka küssten französische Touristen für ein lustig gemeintes Foto eine Buddha-Statue und bekamen dafür sechs Monate Gefängnis auf Bewährung. Ähnlich humorlos urteilten malaysische Richter über die Wanderer, die ein Nackt-Selfie auf dem heiligen Berg Kinabalu machten: drei Tage Haft und Geldstrafen. Nach den Aufnahmen hatte es ein Erdbeben gegeben - was dem Verhalten der Urlauber angelastet wurde.

Ganz enthemmt können sich Reisende aber auch in Europa nicht bewegen. Mit zu kurzen Hosen kommt niemand in den Vatikan. Religiöse Tanzverbote gibt es auch in Deutschland an bestimmten Feiertagen. Und in den Internetforen der München-Besucher wundern sich australische Gäste, warum sich auf dem Oktoberfest alle besinnungslos besaufen - es aber verboten ist, sich auf den Bänken auszuziehen.

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