Reichtum im US-Wahlkampf:Macht und Millionen

"Klassenkampf", "zutiefst unamerikanisch", schimpft Mitt Romney darüber, dass sein Vermögen Thema im US-Wahlkampf ist. Der Republikaner hat recht. Er ist nicht der erste steinreiche Politiker, der ins Weiße Haus will. Bestes Beispiel: George Washington. Der verfügte über weit mehr Millionen als Romney.

Christian Wernicke, Washington

Der Kandidat gibt sich selbstbewusst. "Ich schäme mich nicht für meinen Erfolg", sagt Mitt Romney, der bisherige Favorit im Rennen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur, der sein Vermögen gemäß gesetzlich vorgeschriebener Transparenzregeln schon vor fünf Jahren auf 190 bis 250 Millionen Dollar taxierte.

Reichtum im US-Wahlkampf: Bild des ersten US-Präsidenten George Washington auf der Ein-Dollar-Note: Washington zählt bis heute zu den hundert reichsten Menschen, die je in den Vereinigten Staaten gelebt haben.

Bild des ersten US-Präsidenten George Washington auf der Ein-Dollar-Note: Washington zählt bis heute zu den hundert reichsten Menschen, die je in den Vereinigten Staaten gelebt haben.

(Foto: AFP)

Seither dürfte der frühere Investmentmanager kaum ärmer geworden sein; laut seiner nun veröffentlichten Steuererklärung fließen jedes Jahr weitere 21 Millionen Dollar zusätzlich in die Familienkasse. Und weil er laut Gesetz nur 15 Prozent Tribut zollen muss, bleiben ihm rund 18 Millionen netto. Romney empört, wie linke Demokraten sowie sein parteiinterner Widersacher Newt Gingrich nun seinen Reichtum im Wahlkampf thematisieren. Das sei Klassenkampf und Politik des Sozialneids, schimpft er. Will sagen: unamerikanisch.

Romney hat recht, zumindest in historischer Dimension. Schon der erste US-Präsident, George Washington, war Multimillionär. Umgerechnet auf Dollarwerte des Jahres 2010 schätzt die Website 24/7 Wall Street das Vermögen des Gründervaters und US-Oberkommandeurs im Unabhängigkeitskrieg auf 525 Millionen Dollar. Der General, Großgrundbesitzer und Sklavenhalter hatte reich geheiratet, der stolze Familiensitz auf Mount Vernon zeugt vom Wohlstand des ersten Staatsoberhaupts.

Washington zählt bis heute zu den hundert reichsten Menschen, die je in den Vereinigten Staaten gelebt haben. Sein Vermögen entsprach einem 777. Teil des damaligen Bruttonationaleinkommens. Damit liegt Washington in der ewigen Rangliste superreicher US-Magnaten auf Platz 59, freilich weit abgeschlagen hinter der Trias von John D. Rockefeller, Cornelius Vanderbilt und John Jacob Astor.

Washington wusste um sein Privileg. Deshalb hatte er das ihm vom Kongress zugebilligte Präsidentengehalt zunächst abgelehnt; er brauche das Salär von jährlich 25.000 Dollar nicht (die damals enorm hohe Summe entsprach zwei Prozent des Staatsbudgets). Schließlich nahm er das Geld doch an, um nicht ein falsches Exempel zu setzen: Washington fürchtete, ohne ein hohes Gehalt - aktuell bekommt Barack Obama 400.000 US-Dollar - würden sich nur Reiche um seine Nachfolge bewerben.

Tatsächlich blieben Geld und Staatsmacht meist enge Verwandte. Amerikas Gründerjahre sahen nur vermögende Präsidenten. Washingtons direkter Nachfolger John Adams war, wiederum umgerechnet auf das Jahr 2010 - mit 19 Millionen Dollar ein vergleichsweise armer Mann.

Wer es zum reichsten Präsidenten hätte bringen können

Thomas Jefferson, der dritte Präsident, brachte es auf ein (Romney-ähnliches) Vermögen von 212 Millionen Dollar. Jedenfalls zeitweise, das Genie der Amerikanischen Revolution starb völlig überschuldet. Auch der vierte und der siebte Präsident der USA konnten sich großen Reichtums erfreuen: James Madison (101 Millionen) und Andrew Jackson (119 Millionen) waren Besitzer großer Plantagen.

US-Vorwahlen der Republikaner

Es dauerte bis Mitte des 19. Jahrhunderts, ehe Amerikas Mittelschicht das Weiße Haus für sich erobern konnte. Mit Millard Fillmore begann eine Ära von Präsidenten, die als gebildete Anwälte oder Professoren schlichte Gehaltsempfänger waren und ohne großes Vermögen geboren wurden. Abraham Lincoln, Amerikas vielleicht bedeutendster Präsident, war in einer Holzhütte zur Welt gekommen und schaffte es nie zum Millionär.

Die Rückkehr des großen Geldes begann dann 1901 ausgerechnet mit Theodore Roosevelt. Der Anführer der progressiven Bewegung, der sich mächtigen Kartellen entgegenstellte und für Sozialreformen kämpfte, besaß zeitweise 125 Millionen Dollar (die er freilich größtenteils wieder verlor). Und dessen Verwandter Franklin Delano Roosevelt, der von 1933 bis 1945 Amerika aus der Großen Depression befreite und durch den Zweiten Weltkrieg führte, tat mit seinen Reformen zwar ebenfalls viel für die "kleinen Leute". Aber er selbst war, mit 60 Millionen Dollar, steinreich.

Nicht immer jedoch kamen Macht und Millionen zusammen. John F. Kennedy etwa hätte es zum reichsten Präsidenten der Vereinigten Staaten bringen können. Aber er fiel in Dallas 1963 den Schüssen eines Attentäters zum Opfer, ehe sein Vater John ihm sein Milliardenvermögen hätte vererben können.

Die Männer, die nach ihm kamen, waren zwar alle ebenfalls Millionäre - aber vergleichsweise bescheiden. Etliche von ihnen wurden erst nach ihrem Abgang reich: Richard Nixon kassierte Honorare für Interviews und Bücher, ähnlich kamen Jimmy Carter und Bill Clinton zu ihrem Geld. Und auch der aktuelle Bewohner des Weißen Hauses, immerhin Enkel eines kenianischen Ziegenhirten, ist als Autor reich geworden: Barack Obamas Vermögen soll etwa fünf Millionen betragen.

Geld aber ist keine Garantie für Erfolg. Die beiden Kandidaten der vergangenen 30 Jahre, die noch reicher waren als heute Mitt Romney, haben sich ihren Traum vom Oval Office nicht kaufen können. Ross Perot, der mit einem Privatvermögen von 3,6 Milliarden Dollar im Rücken als unabhängiger Kandidat antrat, nahm zwar 1992 und 1996 den Republikanern viele Stimmen weg - aber das nützte letztlich nur dem Demokraten Bill Clinton. Und Steve Forbes, der ebenso reiche wie konservative Republikaner, konnte als blasser Anwärter weder 1996 noch 2000 viel Begeisterung mobilisieren.

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