Reichsbürger:Vom Spinner zum Mörder

Früher stellten sie sich auf eine Bierkiste. Heute schießen sie.

Von Heribert Prantl

Dieses Land ist so frei, dass es auch Spinner und ihre Spinnereien ertragen muss. Strafbar ist nur die Mitgliedschaft in kriminellen und terroristischen Vereinigungen; die Mitgliedschaft in verschrobenen Vereinigungen, wie die der "Reichsbürger" eine darstellt, ist als solche nicht strafbar. Kriminell wird es, wenn sich die Spinnerei auflädt mit Verschwörungsfanatismus, Neonazismus und Waffengeilheit. Der Mordprozess gegen Wolfgang P. hat gezeigt, wie gefährlich diese Szene werden kann.

Die tödlichen Schüsse auf die Beamten des Sondereinsatzkommandos waren Mordtaten. Darüber muss man nicht lange grübeln. Die Verurteilung zu lebenslanger Haft ergibt sich aus dieser Beurteilung. Die Behauptung des Mörders, er habe an einen Überfall oder den Ausbruch des Dritten Weltkriegs geglaubt, ist als Verteidigung zulässig, aber hinrissig - so hirnrissig, wie die politischen Schwafeleien der sogenannten Reichsbürger es sind. Menschen, die in einer irren Privatrealität leben, sind in einer Zeit, in der Terrorismus allgegenwärtig ist, aggressiver geworden. Früher haben sie sich auf ein Bierkistl gestellt und Tiraden gerufen; heute rennen sie mit der Waffe herum.

Waffenscheine werden in Deutschland nur nach Zuverlässigkeitsprüfung ausgegeben. Offensichtlich sind die Prüfungen nicht zuverlässig genug. Es ist Zeit dafür, die Scheine nicht nur auszustellen, sondern umfassend wieder einzusammeln.

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