Regionalwahlen in Katalonien:Warum der Sieg der Catalanistas eine Niederlage ist

Catalans Vote For Independence

"Gemeinsam für das Ja": Anhänger eines unabhängigen Kataloniens am Wahlabend

(Foto: Bloomberg)

Die Mehrheit der Mandate gewonnen - aber nicht die Mehrheit der Stimmen. Die Befürworter eines unabhängigen Kataloniens erfahren bei der Regionalwahl einen Rückschlag.

Von Thomas Urban, Barcelona

Schon lange vor der Bekanntgabe des offiziellen Endergebnisses der Wahlen zum Regionalparlament Kataloniens war Artur Mas seine Unzufriedenheit anzusehen. Zwar sprach der bisherige Regionalpräsident von einem Sieg der Bewegung für die staatliche Souveränität, nämlich die Loslösung von Madrid. Doch das Ergebnis fiel für ihn ernüchternd aus: Die Parteien, die sich für die Unabhängigkeit aussprachen, errangen zwar gemeinsam 71 der 135 Mandate im Parlament zu Barcelona, also die absolute Mehrheit. Doch hinter ihnen stehen nur knapp 48 Prozent der Wähler. Eine knappe Mehrheit hat also nicht für die Sezession von Spanien gestimmt.

Dieses Ergebnis bedeutet, dass Mas und seine Mitkämpfer keine Chance haben, ausländische Unterstützung, vor allem aus Brüssel, für ihren auf 18 Monate angelegten "Fahrplan zur Unabhängigkeit" zu bekommen. Bislang hatte er die Warnungen aus Madrid, dass Katalonien im Falle einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung aus der Europäischen Union ausgeschlossen würde, als unbegründete Drohungen abgetan - bei einem klaren Wahlsieg der Sezessionisten werde Brüssel das demokratische Votum akzeptieren und somit die neue Republik Katalonien als 29. Mitgliedsstaat. Doch die Wähler haben ihm diesen Rückhalt am Sonntag verweigert.

Mas ist ein weltoffener Europäer mit exzellenter Allgemeinbildung

Auch haben es Mas und seine Mitstreiter nicht geschafft, bei den anderen EU-Staaten erfolgreich für ihr Anliegen zu werben. Nie konnten die Catalanistas, wie sie genannt werden, den Ruf ablegen, kleinkarierte Nationalisten zu sein - ein ungerechtfertigter Vorwurf: Mas, ein gemäßigter Konservativer mit gesellschaftspolitisch eher liberalen Positionen, der neben Katalanisch und Spanisch auch nahezu perfekt Französisch und Englisch spricht, ist ein weltoffener Europäer mit exzellenter Allgemeinbildung; seine politischen Positionen ähneln eher denen Angela Merkels als denen der Bayernpartei. Erzkonservatives und nationalistisches Gedankengut ist eher auf der Seite seiner Gegenspieler in der in Madrid regierenden Volkspartei (PP) zu suchen.

Deren Vorsitzender, Premierminister Mariano Rajoy, wiederum steht in der PP für gemäßigte Positionen, ist also bei gesellschaftspolitischen Streitfragen gar nicht weit von Mas entfernt. Doch hat die Chemie zwischen den beiden von Anfang an nicht gestimmt. Vieles spricht dafür, dass Rajoy durch seine sture Weigerung, mit Barcelona über den Finanzausgleich zwischen den spanischen Regionen zu verhandeln, Mas erst an die Spitze der Unabhängigkeitsbewegung getrieben hat. Die Katalanen fühlen sich durch das bisherige System stark benachteiligt. Hinzu kommen die gewaltigen Unterschiede zwischen Madrid und Barcelona in der politischen Kultur: Die katalanische Metropole, Hafen- und Handelsstadt, wurde stets von einem selbstbewussten Bürgertum geprägt, für die der politische Kompromiss eine Selbstverständlichkeit ist. Madrid, die Königsresidenz, aber war stets hierarchisch strukturiert, hier wird traditionell angestrebt, kompromisslos durchregieren zu können.

Für Mas wird es nun noch schlimmer kommen. Vermutlich sind seine Tage als Regionalpräsident gezählt. Denn die Catalanistas sind untereinander völlig zerstritten. Nur mit Mühe hatten sich die regierenden Konsevativen (CDC) unter Mas mit den oppositionellen Linksrepublikanern (ERC) auf eine gemeinsame Liste im Kampf für die Unabhängigkeit geeinigt. Doch dieses Bündnis mit dem Namen "Gemeinsam für das Ja" (Junts pel Sí), für das auch Pep Guardiola, der Trainer des FC Bayern, kandidierte, erreichte gerade 40 Prozent und 62 Mandate, somit weniger Sitze, als beide Gruppierungen zusammen bei den letzten Regionalwahlen 2012 erreicht hatten. Um eine Mehrheit im Parlament zu erreichen, sind sie auf die antikapitalistische, neomarxistische Volkseinheit (CUP) angewiesen, die ebenfalls Spanien den Rücken kehren möchte und in der Wahlnacht sogar zum zivilen Ungehorsam gegenüber Madrid aufgerufen hat. Die CUP, die nun auf sieben Prozent der Stimmen kam, hat schon im Wahlkampf klargemacht, dass sie Mas auf keinen Fall in seinem Amt als Regierungschef Kataloniens bestätigen werde.

So hat dieser also einen Pyrrhus-Sieg erzielt. Denn alles spricht dafür, dass der "Fahrplan zur Unabhängigkeit" nicht so bald umgesetzt werden kann. Aber auch Mas' Widersacher Rajoy hat wenig Grund zur Freude: Im Dezember wird das nationale Parlament in Madrid neugewählt. Nach den jüngsten Umfragen hat Rajoy kaum Chancen, erneut die Zentralregierung zu führen.

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