Regionalkonferenz:Der Wunschzettel ist lang

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150 Menschen sind gekommen, um die Kanzlerin in Bad Schmiedeberg zu begrüßen. Diesmal blieben Pöbeleien aus. (Foto: Axel Schmidt/Reuters)

Beim Treffen der ostdeutschen Regierungschefs im Kurort Bad Schmiedeberg geht es um hohe Erwartungen und altbekannte Probleme.

Von Ulrike Nimz, Bad Schmiedeberg

Es hat schon so etwas wie Tradition, dass die ostdeutschen Regierungschefs immer dort öffentlichkeitswirksam auf die Kanzlerin treffen, wo andere Urlaub machen. War es im vergangenen Jahr die malerische Kulisse von Schloss Muskau nördlich von Görlitz, ist dieses Mal Bad Schmiedeberg Schauplatz der 45. Regionalkonferenz. Das Moor hat die kleine Stadt berühmt gemacht. Seit 1878 kommen Kurgäste hierher, um Rheuma, Gicht und andere Gebrechen zu kurieren. Auf den Bänken vor dem Kurhaus blinzeln Senioren in die Sonne. Ein Mann im Rollstuhl gibt am Telefon die Lage durch: "Hier rollen die Limousinen vor. Ja. Die Merkel. Was weiß ich, was die hier wollen."

Als der fuchsiafarbene Blazer schließlich um die Ecke biegt, warten etwa 150 Menschen hinter der Absperrung. Angela Merkel schüttelt Hände, erfüllt Selfie-Wünsche. Ein Mann ruft freudig: "Die Bundes-Mutti!" Eine einzelne AfD-Fahne hängt schlaff in der Frühlingsluft.

Es ist der erste große Auftritt der Bundeskanzlerin im Osten seit ihrer Wiederwahl, und was die fünf Ost-Regierungschefs wollen, ist, folgenden Satz aus dem Koalitionsvertrag mit Leben zu füllen: "Die besonderen Herausforderungen in Ostdeutschland erkennen wir als gesamtdeutschen Auftrag an."

So fordert Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) eine Rente über dem Niveau der Grundsicherung für Menschen, die länger als 35 Jahre gearbeitet und nach der Wende den Anschluss verloren haben. Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident Sachsen-Anhalts und Gastgeber an diesem Mittwoch, sorgt sich vor allem um den geplanten Wechsel in der Förderpolitik: Geht es nach der Bundesregierung, soll das Geld künftig in alle strukturschwachen Regionen Deutschlands fließen, nicht nur in den Osten. Der brauche aber auch nach Auslaufen des Solidarpaktes II im kommenden Jahr Strukturförderung, so Haseloff. Breitbandausbau, Mobilfunklöcher und Landarztmangel sind Themen, die seit Jahren die Agenda Ost bestimmen. Der neue Ostbeauftragte der Bundesregierung, der Thüringer CDU-Politiker Christian Hirte, hat ein weiteres für sich entdeckt: die Ansiedlung von Bundesbehörden und Forschungszentren.

Derzeit gibt es in der Standortfrage kaum Erfolge zu vermelden: Keines der 30 Dax-Unternehmen hat seine Zentrale im Osten. Großzügige Förderofferten haben viele Landstriche zu verlängerten Werkbänken werden lassen - mit oft eher mäßig bezahlten Jobs. Dass die Leuchttürme umziehen, glaubt inzwischen niemand mehr. Vielmehr hoffen die ostdeutschen Wirtschaftsminister, dass kluge Förderpolitik, etwa in der IT-Branche, neue Schwergewichte heranwachsen lässt, die ihre Wurzeln vor Ort haben. Als mögliche Beispiele nannte Hirte zuletzt die Gründung der Verkehrsinfrastrukturgesellschaft und die Ansiedlung des Fernstraßenbundesamtes.

Der Wunschzettel von Bad Schmiedeberg ist also lang, und die Gefahr bei Turnustreffen groß, dass es zu wenig mehr kommt, als dem Austausch von Erwartungen. Zusammen sprechen die Ost-Länderchefs für fast 16 Millionen Menschen. Auch sie müssen Erfolge vorweisen.

Als die Kanzlerin am Nachmittag vor die Presse tritt, lobt sie die konstruktive Atmosphäre. Die Konferenz habe deutlich gemacht, dass schon viel geschafft sei, "aber Unterschiede lassen sich nicht ignorieren". Merkel verspricht die baldige Ansiedlung von Bundesinstituten, bis 2025 soll jeder Haushalt einen Breitbandanschluss haben. Geförderte Regionen sollen auch weiterhin gefördert werden. Die Ministerpräsidenten des Ostens können hoffen, dass vom Treffen im Kurort mehr bleibt als Schönheitskorrekturen.

© SZ vom 19.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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