Regierungskrise vorerst beendet:Nockemann ist neuer Innensenator Hamburgs

Der Büroleiter folgt dem Chef: Dirk Nockemann ist mit 60 von 119 gültigen Stimmen zum Nachfolger von Roland Schill gewählt worden. Damit hat die Regierung ihre erste Bewährungsprobe bestanden. Die Opposition bleibt optimistisch: Die Koalition sei "angeschlagen".

Von Reymer Klüver

(SZ vom 04.09.2003) -In geheimer Wahl bestätigte die Bürgerschaft, das Landesparlament Hamburgs, Dirk Nockemann (Schill-Partei) als Nachfolger des vor zwei Wochen entlassenen Innensenators Ronald Schill. Nockemann erhielt 60 von 119 abgegebenen Stimmen. 57 Parlamentarier stimmten gegen ihn. Zwei Abgeordnete hatten sich enthalten, zwei hatten ungültige Stimmen abgegeben.

Für die Wahl reichte die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Alle 121 Abgeordnete hatten an der Wahl teilgenommen, unter ihnen auch Schill, der sein bislang ruhendes Bürgerschaftsmandat wahrnahm. Die Regierungskoalition von CDU, Schill-Partei und FDP verfügt über 64 Mandate, SPD und Grüne kommen zusammen auf 57 Sitze.

Schill gab Nockemann Mitschuld an seinem Sturz

Bis zur Wahl war spekuliert worden, ob Schill überhaupt zum Wahlgang erscheinen werde oder die Wahl seines Nachfolgers torpedieren wolle. Schill hatte seinem bisherigen Büroleiter eine Mitschuld an seinem Sturz gegeben und ihn der Mitwirkung an einem Komplott bezichtigt.

Schill war von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) entlassen worden, nachdem er Beust gedroht haben soll, eine angebliche homosexuelle Beziehung des Bürgermeisters zu Justizsenator Roger Kusch (ebenfalls CDU) öffentlich zu machen.

Unmittelbar vor dem Wahlgang sagte Schill aber vor Journalisten in der Bürgerschaft, dass er nichts tun werde, um der vor zwei Jahren abgewählten rot-grünen Koalition wieder zur Macht zu verhelfen. Und er werde nichts unternehmen, um die Regierung, die auch sein Werk sei, zu destabilisieren.

Bürgermeister von Beust zeigte sich nach der Wahl erleichtert. Geheime Abstimmung seien nicht ohne Risiko. "Die Mehrheit ist da. Jetzt geht es wieder an die Sacharbeit", sagte Beust weiter. Ähnlich äußerten sich die Chefs der Regierungsfraktionen. Die Wahl habe gezeigt, dass die Koalition regierungsfähig sei und es auch bleiben werde, sagte der Fraktionsvorsitzende der Schill-Partei, Norbert Frühauf.

Phase der Unsicherheit beendet

Dem Wahlgang war eine beispiellose Phase der Unsicherheit über die Zukunft des Hamburger Regierungsbündnisses vorausgegangen. Der entlassene Schill hatte von Verschwörung gesprochen und angeblich gedroht, eine Bombe platzen zu lassen.

Daraufhin hatten die Chefs der Regierungsfraktionen die Abgeordneten in Einzelgesprächen von der Bedeutung der Abstimmung zu überzeugen versucht. Ein Misserfolg Nockemanns hätte vermutlich das Ende der Regierungskoalition und Neuwahlen bedeutet.

Der 45-jährige Nockemann war zwei Jahre lang als Büroleiter Schills in der Innenbehörde tätig. Zugleich übte er das Amt des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden für Schills Partei Rechtsstaatlicher Offensive in der Bürgerschaft aus. Dafür war Nockemann heftig kritisiert worden. Vor seinem Wechsel nach Hamburg hatte Nockemann das Amt für Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten in Mecklenburg-Vorpommern geleitet. Nockemann gehörte früher der SPD an.

Der Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft, Walter Zuckerer, bezeichnete die Koalition als "angeschlagen". Vier Abgeordnete aus dem Regierungslager hätten dem Senat die Zustimmung verweigert. Die Koalition stehe auf "tönernen Füßen", sagte auch die Fraktionschefin der Grünen, Christa Goetsch.

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