Regierungskrise in Tschechien:Ministerpräsident Nečas kündigt Rücktritt an

Tschechiens Ministerpräsident Petr Nečas tritt zurück

Tschechiens Ministerpräsident unter Druck: Petr Nečas

(Foto: dpa)

Nach Bespitzelungs- und Korruptionsvorwürfen will der tschechische Ministerpräsident Petr Nečas sein Amt niederlegen. Mehrere Regierungsmitglieder wurden zuvor in Untersuchungshaft genommen. Als möglicher Nachfolger wird Industrieminister Kuba gehandelt, doch die Opposition pocht auf Neuwahlen.

Der tschechische Ministerpräsident Petr Nečas will am heutigen Montag offiziell zurücktreten. Er zieht damit die Konsequenzen aus einer spektakulären Bespitzelungs- und Korruptionsaffäre. "Ich bekenne mich zu meiner politischen Verantwortung", hatte er am Abend nach einer Sitzung seiner Partei gesagt und den Schritt angekündigt. Es wird erwartet, dass Nečas Präsident Miloš Zeman ein entsprechendes Schreiben überreicht.

Mit dem Rücktritt des Ministerpräsidenten endet in Tschechien auch die Amtszeit des gesamten Kabinetts. Am Zug ist damit der linksgerichtete Präsident Zeman, der den Auftrag zur Regierungsbildung neu vergeben oder ein Übergangskabinett ernennen kann. Das Abgeordnetenhaus hat zudem das Recht, sich mit einer Drei-Fünftel-Mehrheit selbst aufzulösen.

Nach dem angekündigten Rücktritt des Regierungschefs haben die Parteien in Prag mit der Suche nach einem Nachfolger begonnen. Als möglicher Kandidat wird Industrieminister Martin Kuba von Nečas' Bürgerpartei ODS gehandelt. Angesichts der schweren innenpolitischen Krise sei er bereit, Verantwortung zu übernehmen, sagte Kuba.

Die oppositionellen Sozialdemokraten (CSSD) pochen indes auf baldige Neuwahlen. "Es gibt keinen Grund, die erfolglosen konservativen Parteien erneut mit der Regierungsbildung zu beauftragen", sagte ihr Vorsitzender Bohuslav Sobotka.

Der seit Juli 2010 amtierende Nečas war wegen eines Abhör- und Korruptionsskandals massiv unter Druck geraten. Bei einer spektakulären Razzia in der Nacht zum Donnerstag hatte die Polizei Nečas' Kabinettschefin Jana Nagyová, einen Exminister, sowie mehrere Generäle und Geheimdienstmitarbeiter festgenommen.

Staatspräsident Zeman hatte Nečas den Rücktritt nahegelegt

400 Polizisten einer Sondereinheit für organisierte Kriminalität durchsuchten unter anderem den Regierungssitz und das Verteidigungsministerium. Dabei wurden große Mengen Geld und Gold beschlagnahmt. Die Polizei sprach von einer "organisierten Kriminellengruppe", die nach "überzogenem Gewinn" gestrebt und versucht habe, Einfluss auf Staatsorgane zu nehmen.

Nečas' Büroleiterin Nagyová wird beschuldigt, politische Korruption in großem Stil organisiert zu haben. Über das Verhältnis der beiden wird in der tschechischen Presse seit Langem spekuliert. Nagyová soll die Geheimdienste missbraucht haben, um Nečas' Ehefrau Radka zu bespitzeln - am Dienstag gab Nečas offiziell die Trennung von seiner Frau bekannt. Nach Polizeiangaben hatte Nagyová ihn dazu gedrängt.

"Ich bin mir bewusst, dass die Schicksalswende meines persönlichen Lebens derzeit die politische Szene und die Partei ODS belastet", sagte der 48-jährige Nečas. In der Affäre geht es zudem um die angebliche Bestechung von Abgeordneten, um die fragile Drei-Parteien-Koalition zusammenzuhalten. Der einst als Saubermann angetretene Nečas kündigte an, auch sein Amt als Parteivorsitzender der Bürgerpartei ODS aufzugeben. Er wünsche sich die Fortsetzung der bestehenden Mitte-Rechts-Koalition unter einem anderen Ministerpräsidenten, sagte der Politiker.

Am Samstag hatte Staatspräsident Miloš Zeman dem Regierungschef den Rücktritt nahegelegt. Bei einer Pressekonferenz sagte das Staatsoberhaupt: "Die Vorwürfe sind sehr schwerwiegend und ich komme zu dem Schluss, dass sie auf ausreichende Beweise gestützt sind. Das ist meine indirekte, aber hinreichend klare Antwort."

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