Regierungskrise in Italien:Berlusconis faules Vermächtnis

Die Schatten der Vergangenheit holen Italien ein: Der letzte Willkürakt von Silvio Berlusconi, das verkorkste Wahlrecht, hat Ministerpräsident Prodi zwei Jahre später die Regierungskrise beschert.

Ivo Marusczyk

Wenn Romano Prodi jetzt auf Gedeih und Verderb einer 1,4-Prozent-Splitterpartei ausgeliefert ist, dann liegt das am faulen Vermächtnis des Silvio Berlusconi.

Regierungskrise in Italien: Mit einer Wahlrechtsreform in letzter Minute hat Silvio Berlusconi (rechts) seinem Nachfolger Prodi (links) ein vergiftetes Erbe hinterlassen.

Mit einer Wahlrechtsreform in letzter Minute hat Silvio Berlusconi (rechts) seinem Nachfolger Prodi (links) ein vergiftetes Erbe hinterlassen.

(Foto: Foto (Archiv): dpa)

Ende 2005 hatte Berlusconi als Ministerpräsident noch eine Wahlrechtsreform durchgeprügelt. Das Ergebnis ist ein völlig verkorkstes Wahlsystem, das seine Berechtigung allein darin findet, auf Berlusconis Bedürfnisse zugeschnitten zu sein.

Der "Cavaliere", wie er sich gerne nennen lässt, rechnete mit einem knappen Sieg für sein Rechtsbündnis "Haus der Freiheiten". Also nahm er sich die Freiheit, mitten im beginnenden Wahlkampf das ganze Wahlsystem umzukrempeln. Damit wollte er sich erstens angesichts knapper Prognosen eine stabile Mehrheit bescheren. Zweitens wollte er den linken Gegner schwächen, indem er dessen Tendenz zur Zersplitterung fördert.

Für seine eigene Mehrheit erfand Berlusconi ein seltsames Bonus-System: Das Wahlbündnis, das die Mehrheit erobert - und sei sie noch so knapp - bekommt 340 der 630 Sitze in der Abgeornetenkammer. Dieser Schuss ging nach hinten los. Denn die Wahlen gewann nicht Berlusconi, sondern Prodi um Haaresbreite, mit gerade einmal 25.000 Stimmen Vorsprung.

Spaltpilz im linken Lager

Doch der zweite Plan, den Spaltpilz im linken Lager zu fördern, ging auf. Berlusconi hebelte die Vier-Prozent-Klausel aus und legte die Latte tiefer, auf zwei Prozent. Und selbst der "beste Verlierer" unterhalb dieser Hürde darf Senatoren und Abgeordnete nach Rom schicken. Genau diese berlusconianische Spezialregel verschaffte Clemente Mastella mit seiner 1,4-Prozent-Partei Udeur drei Sitze im Senat. Und dank dieser Regel kann Mastellas Splittergruppe Prodi jetzt den Teppich unter den Füßen wegziehen.

Mit dieser Zwei-Prozent-Schwelle ebnete Berlusconi allein sechs Kleinstparteien aus Prodis Lager den Weg in die Palazzi Montecitorio und Madama, wo Italiens Parlamentarier tagen. Mit der alten Vier-Prozent-Hürde hätten nur Prodis "Ulivo" (Olivenbaum), die wiederbegründeten Kommunisten und die Südtiroler Volkspartei als Minderheitenvertreter den Sprung ins Parlament geschafft und die Sitze der Linken unter sich aufgeteilt. Dank Berlusconis Regeländerung musste Prodi sich mit acht Koalitionspartnern herumschlagen.

Berlusconis Hinterlassenschaft sorgte für neue Krise

Auch die aktuelle Krise fußt auf Berlusconis vergiftetem Erbe. Denn Mastellas Vorwand für den Bruch der Koalition ist an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten: Offiziell bejammerte er die "mangelnde Solidarität" seiner Regierungskollegen angesichts der Korruptionsermittlungen gegen ihn und seine Frau, die Regionalpräsidentin von Kampanien.

Tatsächlich dürfte Mastella ein andere Problem im Magen liegen: Das Verfassungsgericht hat ein Volksbegehren zugelassen, das Berlusconis Wahlsystem ein Ende bereiten will. Nach deutschem Vorbild soll eine Fünf-Prozent-Klausel eingeführt werden, um die Zersplitterung der Parteienlandschaft zu beenden. Für Mastellas Udeur wäre es das sichere Aus. Nur rasche Neuwahlen nach dem alten Berlusconi-Recht können ihm noch einmal einen Sitz im Parlament sichern.

Der lachende Dritte ist Berlusconi selbst. Selbst wenn sein trickreiches Wahlsystem ihm den Sieg nicht auf Anhieb garantiert hat: Es könnte ihm jetzt, zwei Jahre später, den Weg zurück an die Macht ebnen.

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