Regierungskrise in Griechenland:Warum der Befreiungsschlag keiner ist

Griechenlands Premier wollte mit seiner Kabinettsumbildung in die Offensive kommen. Doch gewonnen hat er nichts - außer ein wenig Zeit. Gelingen wird der Neuanfang nur, wenn Papandreou und sein neuer Finanzminister ihrem Volk ein paar Wahrheiten zumuten. Hellas braucht eine neue Politik, die sich aus den Fesseln der Privilegien und Pfründe befreit.

Christiane Schlötzer

Griechenlands neuer Finanzminister war bisher für die Landesverteidigung zuständig, mit Panzern und Haubitzen, nun soll er die Pleite seines Landes abwehren. Premier Giorgos Papandreous neue Regierungsmannschaft ist ein Aufgebot für das letzte Gefecht. Das Stühlerücken erinnert an das Kinderspiel "Bäumchen-Wechsle-Dich": Alle rennen, um noch einen freien Platz zu erhalten. Papandreou hat damit vor allem die Opposition in seiner eigenen Pasok-Partei befriedigt; sonst hat er - außer ein wenig Zeit - nichts gewonnen.

Greece's PM Papandreou talks with newly appointed Finance Minister Venizelos before a cabinet meeting at the parliament in Athens

Papandreou (links) mit seinem neuen Finanzminister Venizelos.

(Foto: REUTERS)

Letzteres ist für Papandreou schon viel, weil er hoffen kann, nun doch noch eine Parlamentsmehrheit für sein rigoroses Sparprogramm zu erhalten. Dafür hat der Premier aber wieder ein paar Grundsätze geopfert: Papandreou träumte noch vor Tagen von einer Regierungsriege unabhängiger Technokraten mit hoher Reformlust. Da aber spielten seine Genossen nicht mit. So ließ er schließlich sogar seinen bisherigen Finanzchef, den in Europa wegen seines Spareifers geschätzten Giorgos Papakonstantinou, fallen. Ein fatales Signal.

Der Neue im Amt, Evangelos Venizelos, verfügt zwar über auffälliges Selbstbewusstsein, ist aber kein Ökonom. Einst wollte er Papandreou den Parteivorsitz wegnehmen, nun soll der frühere Rivale all das durchsetzen, wofür der Vorgänger gerade einen Fußtritt bekam - eigentlich ein unmöglicher Job. Gelingen wird der Neuanfang nur, wenn Papandreou und Venizelos, der nun auch Vizeregierungschef ist, ihrem Volk ein paar Wahrheiten zumuten: Beispielsweise, dass es keinen Sinn macht, mit dem Finger auf den Internationalen Währungsfonds und die EU-Kommission zu zeigen, die Griechenland all die Härten zumuten.

Griechenland braucht dringend einen Wandel. Der Schlendrian und die Selbstbedienungsmentalität im Staatsapparat haben das Land ebenso an den Abgrund geführt, wie die Verantwortungslosigkeit eines Teils seiner wirtschaftlichen Eliten, die meinen, ihr Geld sei auf Konten in der Schweiz, Deutschland oder Zypern besser aufgehoben als in den Schatullen der staatlichen Steuerbehörden.

Als Papandreou vor 20 Monaten antrat, galt er als Hoffnungsträger. Seine Reden versprachen Unerschrockenheit und gesellschaftliche Tabubrüche. Dann kamen Kassensturz und Krise, und ein erstes Sparpaket. Da war der Elan bald dahin. In höchster Not griff der Regierungschef nun sogar zur Rücktrittsdrohung. Damit hat er viel Autorität verspielt. Aber er hat auch vielen Griechen einen Schock verpasst: Denn Neuwahlen würden dem Land derzeit nur eines bringen - eine weitere parteipolitische Polarisierung. Die Griechen aber, die seit Wochen Tag und Nacht das Parlament in Athen belagern, haben längst genug von der ganzen alten politischen Klasse. Hellas bräuchte auch neue Parteien, weil es den Sozialisten, wie auch den Konservativen, offensichtlich nicht gelingt, sich aus den Fesseln des alten Systems von Privilegien und Pfründen zu befreien.

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