Regierungskrise in Frankreich:Rettet Frankreich vor den Radikalen

French President Francois Hollande delivers a speech on the Ile de Sein, an island located near the Pointe-du-Raz, off the Brittany coast

Zur Mitte seiner Amtszeit als Präsident steht François Hollande mit leeren Händen da

(Foto: REUTERS)

Frankreichs Wirtschaft lahmt, dem Staat fehlt Geld, die Regierung tritt zum zweiten Mal in fünf Monaten zurück. Doch das ist nicht allein die Schuld des sozialistischen Präsidenten Hollande. Berlin und Brüssel müssen ihm jetzt zur Seite stehen - in ihrem eigenen Interesse.

Kommentar von Stefan Ulrich

Was auch immer François Hollande anfasst, scheint ihm zu misslingen. Die Wirtschaft? Stagniert. Die Arbeitslosigkeit? Steigt. Seine Regierung? Ist gerade zurückgetreten. Zum zweiten Mal in diesem Jahr. Das Vertrauen der Bürger? Welches Vertrauen?

Zur Mitte seiner Amtszeit als Präsident steht Hollande mit leeren Händen da. Viele Franzosen stöhnen über ihn. Die radikale Rechte und die radikale Linke sammeln die Enttäuschten ein und hetzen gegen Deutschland. Die EU-Partner sorgen sich um Frankreich. Hollande wird zum Sinnbild des schwächlichen Politikers, dem Misserfolg wie Teer an den Füßen klebt.

Die Enttäuschung ist berechtigt. Denn natürlich hat der Präsident Fehler gemacht, weil er zu lange hoffte, eine anspringende Konjunktur werde ihm Reformarbeit ersparen. Auch war es falsch, alle Flügel seiner Sozialistischen Partei in die Regierung einzubinden, auch den ganz linken um den bisherigen Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg, der nichts vom Sparen, von Arbeitsmarktreformen und Steuerentlastungen für Firmen hält.

Dennoch ist es unfair, alle Schuld Hollande zu geben. Frankreich hat es über Jahrzehnte versäumt, Staat und Verwaltung, Steuer- und Sozialsystem auf die Globalisierung vorzubereiten. Seine konservativen Vorgänger Chirac und Sarkozy packten viel zu wenig an. Ausgerechnet der Sozialist Hollande beginnt nun, unpopuläre Einschnitte im französischen Modell vornehmen. Er versucht zu sparen, die Betriebe zu stärken und die Regeln des Arbeitsmarktes zu lockern. Wie schwer das ist, zeigt Italien, wo der überaus energische Premier Matteo Renzi - eine Art Anti-Hollande - ganz ähnliche Probleme hat.

Es ist unfair, alle Schuld dem Präsidenten zu geben

Es ist eben äußerst schwierig, in Zeiten einer europaweit schwachen Konjunktur Staatshaushalte zu sanieren und den Bürgern immer neue Opfer abzuverlangen. Die Millionen Menschen vor allem im Süden der EU, die keine Arbeit finden und verarmen, stellen die derzeitige, von Deutschland geprägte Wirtschafts- und Finanzpolitik in der EU verständlicherweise infrage. Genauso verständlich ist es aber auch, wenn die Regierungen Deutschlands und anderer "Nordländer" Angst vor einem hemmungslosen Geldausgeben in den Problemstaaten haben. Beide Sichtweisen und Sorgen müssen berücksichtigt werden, wenn die EU Erfolg haben will - bei Bürgern und Märkten.

Frankreich ist dabei der Schlüsselstaat. Es darf nicht verkommen und an die Radikalen fallen. Deshalb muss die Devise in Europa lauten: Rettet den Soldaten Hollande. Wenn der Präsident und seine neue Regierung den Reformkurs stetig fortsetzen, sollten ihnen Berlin und Brüssel entgegenkommen - durch europäische Investitionsprogramme, einen gemeinsamen Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und vor allem mehr Flexibilität bei der magischen Neuverschuldungsgrenze von drei Prozent. Denn keinem ist geholfen, wenn zwar der französische Haushalt saniert wird, dabei aber der Präsident und die moderaten Kräfte des Landes bankrottgehen.

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