Regierungsklausur in Meseberg:Kuscheln im Schloss

Gabriel kommt zu spät, Altmaier macht den netten Grüßonkel, Merkel beschwört Einigkeit. Und wenn es Sätze geben muss, die die Welt nicht braucht? Ist Hans-Peter Friedrich von der CSU zur Stelle: Auf ihrer Klausur will die große Koalition den Fahrplan für das Jahr 2014 festlegen. Aber erst mal geht es um eines: Stimmung.

Von Thorsten Denkler, Meseberg

Sigmar Gabriel hält inne. Er hebt die Hand, lässt sie in die Ferne weisen, als liege dort alle Wahrheit verborgen. Dann spricht er das eine Wort, dass alles erklären soll: "Verkehr".

Kanzlerin Angela Merkel muss kurz davor auf dem bestem Weg gewesen sein, richtig sauer zu werden. Für 10:45 Uhr ist ihr gemeinsames Pressestatement mit Gabriel zum Auftakt der ersten Klausur der schwarz-roten Bundesregierung vorgesehen. Alle waren bis dahin pünktlich im Schloss Meseberg eingetroffen, dem Gästehaus der Bundesregierung nördlich von Berlin. Kanzlerin Merkel hatte sich längst mit Krücken die Treppe zum Schloss hinaufgestemmt. Nur Gabriel ward nicht gesehen.

Außer Gabriels Ein-Wort-Satz "Verkehr" gibt es keine weitere offizielle Begründung. Aber Merkel soll besänftigt gewesen sein, als sie gehört habe, eine unfallbedingte Verkehrslage sei Ursache der Verspätung gewesen. Wenn auch nicht klar ist, wo das gewesen sein soll.

Musste wohl noch Windeln wechseln, witzeln die Journalisten, die im holzvertäfelten Empfangssaal Ost auf Merkel und Gabriel warten. Der Vizekanzler hat sich ja selbst zum Teilzeitminister ausgerufen, um - immer mittwochs - Zeit für seine kleine Tochter zu haben.

An diesem Mittwoch wird daraus nichts. Bevor es losgeht, klärt Regierungssprecher Steffen Seibert auf dem verschneiten Schlossplatz die frierenden Journalisten noch mal über die tiefere Bedeutung des Wortes Klausur auf. Alle bleiben unter sich. Es werde nur das Pressestatement geben. Und am morgigen Donnerstag gegen Mittag eine größere Pressekonferenz.

Es muss auch keiner mehr die Anlage verlassen. Alle werden im Schloss oder im angeschlossenen Gästehaus übernachten. Nur Außenminister Frank-Walter Steinmeier von der SPD fehlt noch. Er verhandelt in Montreux über die Zukunft Syriens.

Sätze, die die Welt nicht braucht

Verlass ist auf solche Ankündigungen in der Regel nicht. Minister machen, was sie wollen. Und wenn sie am Mittag, am Abend oder einfach so zwischendurch noch was loswerden wollen, dann machen sie das in der Regel auch.

Als Innenminister Thomas de Maizière vor dem Schloss aus seiner Limousine aussteigt, will er auch noch schnell was zum Coup des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnologie sagen. Das hatte in einem Bot-Net Millionen von E-Mail-Adressen und Passwörtern entdeckt. Er nutzt dessen Erfolg, um mitzuteilen: dass "wir uns natürlich der NSA widmen müssen", aber das "Bedrohung auch von anderen ausgeht".

"Der Rahmen ist hervorragend"

Wenn es Sätze geben muss, die die Welt nicht braucht, ist Hans-Peter Friedrich von der CSU zur Stelle. Kaum aus dem Auto gestiegen, spricht der zum Landwirtschaftsminister degradierte frühere Innenminister Folgendes in die Kameras: "Ich glaube, dass die Stimmung gut ist. Ich glaube, dass die hier noch besser werden kann. Der Rahmen ist hervorragend."

Es geht also um die Stimmung in der Koalition, deren Vertreter vor ein paar Monaten noch erbittert gegeneinander wahlgekämpft haben. Seibert sagt, es gebe durchaus eine Chance auf eine "Erwärmung der Herzen". Kuschel-Camp Meseberg.

Ein paar kleine Ungereimtheiten etwa um die Vorratsdatenspeicherung haben die Stimmung also nicht vermiest. Aber klargemacht, wie es bitte nicht weitergehen soll.

Merkel humpelt an Krücken in das Empfangszimmer Ost. Jetzt, da Gabriel endlich da ist, kann es losgehen. Der SPD-Chef steht leicht zerknirscht neben ihr am Pult.

Die Bundeskanzlerin macht deutlich, dass es Alleingänge der Minister nicht geben soll. Was sie nicht sagt, ist, dass sie damit SPD-Justizminister Heiko Maas meinen könnte. Der war es, der wegen seiner Idee in Misskredit kam, erst auf ein europäisches Gerichtsurteil zu warten, bevor er die Vorratsdatenspeicherung umsetzt.

Gabriels Pläne zur Energiewende hingegen würden von ihr "absolut unterstützt". Das sei ein Thema der gesamten Koalition, sagt sie mit einem leicht bedrohlich wirkenden Unterton. Und für alle, denen das als Wink nicht reicht, fügt sie später hinzu: "Dies ist eine Regierung." Mit Betonung auf "eine". Eine Regierung zwar aus drei Parteien. Aber "jedes Projekt jedes einzelnen Ministers ist ein Projekt der gesamten Regierung". Die Botschaft dürfte angekommen sein.

Hinter Merkel und Gabriel hängt ein Wandteppich aus dem Jahr 1780. Er zeigt eine wunderbar harmonische Tanzszene im Grünen. Vielleicht lädt Merkel die Neu-Koalitionäre am Abend noch ein, um über dieses Bild zu meditieren. Soll ja Wunder wirken so was.

"Wir haben schon alles vorbereitet"

Gabriel übernimmt das Mikrofon, um zu erklären, er unterstütze alles, was "meine Vorrednerin" gesagt habe. Es gehe jetzt darum, die Koalitionsvereinbarung umzusetzen. Er macht es kurz.

Neben der Energiewende stehen noch die Themen Demografie, Finanzen und Europa auf der Tagesordnung. Hier dürfen sich die Minister, Staatsminister, die Kanzlerin und der Chef des Bundeskanzleramtes, Peter Altmaier (CDU), schon mal darin üben, Einvernehmen herzustellen.

Wo die Strippen künftig zusammenlaufen sollen, hat Altmaier zuvor geradezu demonstrativ deutlich gemacht. Er steht vor dem Hauptportal des Schlosses und begrüßt jeden, der es die enteiste Treppe zum ihm hinaufschafft, mit Handschlag. "Wir haben schon alles vorbereitet", lässt er weit hörbar Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wissen. Altmaier würde sich auch als Schlossherr gut machen.

Dabei gehört das Schloss nicht mal der Bundesregierung. Besitzer ist die Messerschmidt-Stiftung. Sie hat es zum symbolischen Preis von einem Euro an die Regierung vermietet. Die zahlt dafür die Unterhaltskosten von jährlich etwa 100.000 Euro.

Für das Quietschen der Türklinke ist dann also auch die Bundesregierung verantwortlich. Und auch für die Farbe, die an der ein oder anderen Stelle abblättert. Aber das sind natürlich Kinkerlitzchen im Vergleich zu den Problemen, die die Bundesregierung auf dieser Klausur lösen will. Wie sagte Minister Friedrich: "Der Rahmen ist hervorragend."

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