Regierungsgespräche:Im neuen Jahr wird wieder sondiert

PK Martin Schulz

"Eine frische, neue Anmutung" - SPD-Chef Martin Schulz erläutert in Berlin, was er von den Sondierungsgesprächen mit der Union erwartet.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)
  • Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz kündigt an, dass die Partei mit der Union Sondierungsgespräche zur Bildung einer Regierung aufnehmen will.
  • Damit ist die große Koalition aber noch lange nicht beschlossene Sache: Es gibt noch mehrere Hürdem auf dem Weg der Regierungsbildung.
  • Schulz sagte Deutschland brauche "kein Weiter-so", sondern eine "neue Regierungskultur" und "eine frische, neue Anmutung."

Von Christoph Hickmann, Berlin, und Robert Roßmann, Nürnberg

Knapp vier Wochen nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen steht fest, dass im neuen Jahr wieder über die Bildung einer Regierung geredet wird - diesmal zwischen Union und SPD. Der Parteivorstand der SPD beschloss am Freitag einstimmig, Sondierungsgespräche mit CDU und CSU aufzunehmen. Noch im Januar soll entschieden werden, ob daraus Koalitionsverhandlungen werden.

Am Freitagvormittag waren die sozialdemokratischen Führungsgremien zusammengekommen, um über die Ergebnisse eines Gesprächs zwischen den Spitzen von SPD, CDU und CSU am Mittwoch zu beraten. SPD-Chef Martin Schulz sagte am Freitagnachmittag, seine Partei wolle nun "konstruktiv, aber ergebnisoffen" ausloten, wie sie zur Bildung "einer möglichst stabilen Regierung" beitragen könne. Er betonte, es sei offen, ob die Gespräche zu einer Regierungsbildung führen werden: "Das meinen wir sehr ernst." Es gehe um die Frage, was man an sozialdemokratischer Politik durchsetzen könne.

Damit beginnt nun ein aufwendiger Prozess, in dessen Verlauf die sozialdemokratischen Gegner einer großen Koalition noch mehrmals die Chance haben, eine Neuauflage des in der SPD ungeliebten Bündnisses zu verhindern. Zunächst soll es am kommenden Mittwoch ein weiteres Gespräch zwischen den Spitzen der drei Parteien geben, in dem auch über den konkreten Zeitplan geredet werden soll. Dessen Rahmendaten muten äußerst ambitioniert an: In der ersten Januarwoche sollen die Sondierungsgespräche aufgenommen und, so Schulz, "hoffentlich" bereits in der zweiten Januarwoche abgeschlossen werden.

Für den 11. Januar kündigte Schulz eine Klausursitzung des Parteivorstands an, der über die Ergebnisse dieser Gespräche beraten solle. Bereits am 14. Januar soll dann ein Sonderparteitag entscheiden, ob Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden. Schulz machte allerdings klar, dass dieser Parteitag, abhängig vom Verlauf der Gespräche, auch noch auf einen späteren Termin verschoben werden könnte. Zuvor hatte die Parteiführung intern länger darüber diskutiert, ob der Termin sich halten lasse.

Sollten dann mögliche Verhandlungen in einen Koalitionsvertrag münden, hätten am Ende die SPD-Mitglieder das Wort. Sie würden, wie bereits vor vier Jahren, über einen Vertrag und damit über die Koalition abstimmen. Damals votierten die Genossen mit knapp 76 Prozent für die große Koalition. Allerdings gilt die Stimmung diesmal als tendenziell kritischer - schließlich war die SPD bei der Bundestagswahl Ende September nach vier Jahren Schwarz-Rot auf 20,5 Prozent abgerutscht.

Als eine der Hauptursachen gilt vielen Parteimitgliedern fehlendes sozialdemokratisches Profil. Das ließe sich ihrer Ansicht nach in der Opposition besser herausbilden. Der Widerwille gegen eine große Koalition an sich, aber auch gegen eine weitere Zusammenarbeit mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) war beim SPD-Bundesparteitag vor gut einer Woche in einer stundenlangen Debatte zum Ausdruck gekommen. Auch in der Sondierungsgruppe, die nun mit der Union Möglichkeiten für eine Regierungsbildung ausloten soll, sitzen Spitzengenossen, die einem weiteren Bündnis mit CDU und CSU äußerst skeptisch gegenüberstehen.

Kein Twittern über Zwischenstände

Der Gruppe sollen neben Parteichef Schulz, Fraktionschefin Andrea Nahles und Generalsekretär Lars Klingbeil die sechs stellvertretenden Parteivorsitzenden, der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, der nordrhein-westfälische SPD-Landeschef Michael Groschek und die stellvertretende saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger angehören. Somit zählen etwa auch die Regierungschefinnen von Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern zum Sondierungsteam, Malu Dreyer und Manuela Schwesig, beide sind stellvertretende Parteivorsitzende.

Sie hatten in den vergangenen Wochen intern ihre Skepsis gegenüber einer großen Koalition zum Ausdruck gebracht. Dreyer hatte auch öffentlich mehrmals ihre Sympathie für das Modell einer Minderheitsregierung erkennen lassen - die aber von der Union ebenso abgelehnt wird wie eine sogenannte Kooperationskoalition, bei der nur bestimmte Punkte verbindlich geregelt wären. Auch Groschek hatte sich immer wieder skeptisch über Schwarz-Rot geäußert.

CDU-Chefin Merkel sagte am Freitagabend auf dem CSU-Parteitag, sie begrüße die Entscheidung der SPD, Sondierungsgespräche mit der Union aufzunehmen. "Ich habe vor diesem Beschluss großen Respekt, wenn ich mir den Weg anschaue, den die Sozialdemokraten seit dem 24. September bis heute gegangen sind", sagte Merkel. Auf dem EU-Gipfel sei ihr mehrfach gesagt worden, wie wichtig ein handlungsfähiges Deutschland sei. Auch deshalb hätten Union und SPD jetzt "eine Riesenverantwortung, eine stabile Regierung zu bilden".

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