Regierungserklärung der Bundeskanzlerin:Merkel stimmt Deutsche auf langen Kampf gegen die Krise ein

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Keine "Wunderwaffen": Bundeskanzlerin Angela Merkel räumt ein, dass es noch lange dauern wird, die europäische Schuldenkrise in den Griff zu bekommen. Staatstragend kommt die Regierungserklärung der CDU-Chefin daher - schnippisch wirkt sie nur bei einem Wortgefecht mit Grünen-Fraktionschefin Künast. SPD-Fraktionschef Steinmeier rechnet anschließend gallig mit Schwarz-Gelb ab.

Oliver Das Gupta

Angela Merkel kann Ansprachen mit Witz und Pathos halten. Heute hielt die Kanzlerin eine Regierungserklärung im Bundestag, die weder nach Witz noch nach Pathos klang, so fade las sie vom Blatt ab.

Staatstragend und meist vom Blatt abgelesen: Kanzlerin Merkel bei ihrer Regierungserklärung zu den Gipfeln von G 8 und Nato.  (Foto: REUTERS)

Sehr staatstragend geriet der Inhalt. Anlass für die Rede waren die anstehenden G-8- und Nato-Gipfel, was die CDU-Chefin für einen Ausflug durch Regionen, Themen und Epochen nutzte: Sie würdigte die Nato, sie würdigte diejenigen, die in Afghanistan helfen. Sie sprach über die Energiewende. Sie rief Russland auf, sich an der geplanten Raketenabwehr des Westens zu beteiligen. Sie erklärte, Abrüstungsfortschritte auf dem Nato-Gipfel zu erwarten. Sie erinnerte an das Kriegsende am 8. Mai 1945, das sich eben gejährt hat. Sie sprach freundlich über die französischen Staatschefs Nicolas Sarkozy und François Hollande. Sie kündigte an, sich beim Chicagoer G-8-Gipfel für den Abbau von Handelshemmnissen einzusetzen.

Den Kern von Merkels Rede aber stellten ihre Äußerungen zur grassierenden Krise des Euro und Europas dar. Die Botschaft der Kanzlerin lautete: Habt Geduld - schnell kommen wir aus der Malaise nicht heraus. Es gebe keine "Wundermittel", keine "Wunderwaffen" oder einen "Königsweg", sagte Merkel. Das Ende der Staatsschuldenkrise in Europa werde nicht über Nacht kommen, auch nicht mit einem Paukenschlag.

Es müsse akzeptiert werden, dass die Überwindung der Krise "ein langer, anstrengender Prozess" sei. Die Kanzlerin wiederholte, was sie schon häufiger ausgeführt hatte: Man müsse an den Ursachen der Krise ansetzen. Dies bedeute sowohl den Abbau der horrenden Verschuldung als auch die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit einzelner Eurostaaten. "Gemeinsam müssen wir im Kreis der Industriestaaten stärker denn je daran arbeiten, von der hohen Verschuldung herunterzukommen."

Galliger Steinmeier

Ihren Lese-Duktus unterbrach Angela Merkel nur einmal, als es um die Versorgungslage in den Hunger-Regionen Afrikas ging. Auf Zwischenrufe von Grünen-Fraktionschefin Renate Künast reagierte sie sofort - und schnippisch. "Hochvereehrte Frau Künast", sagte Merkel spitz und erklärte, sie rede gerade über Themen von der Tagesordnung, die die US-Regierung vorlegt habe. Dass die Ernährungslage in der Subsahara-Region Künast "nicht so interessiert, kann ja sein", giftete die Kanzlerin vom Pult herab. Dann schaltete sie wieder um und verlas ihre Regierungserklärung.

Nach Merkel durfte der Oppositionsführer ran: Frank-Walter Steinmeier gab sich in seiner Replik betont gallig, vielleicht auch, um seine Pleite bei der Anti-Piraten-Mission Atalanta zu kompensieren. Der SPD-Fraktionschef bemühte sich gar nicht, staatstragend wie Merkel zu klingen. Er haute von Beginn an kräftig auf die Koalition drauf: Schwarz-Gelb sei untätig, habe die Energiewende verschlafen, null Impulse in der Außenpolitik gesetzt und keinerlei substanziellen Beitrag für die anstehenden Gipfel geliefert. Außerdem gehöre das Betreuungsgeld nach "Absurdistan".

An der Regierung hätten Union und FDP drei Jahre "vertändelt und vertan", behauptete Steinmeier. Die Koalition lebe "von der Substanz" und damit von dem, was andere auf den Weg gebracht hätten. "Sie gehen an die Vorräte, die von der Vorgängerregierung angelegt worden sind", sagte Merkels früherer Vizekanzler und klang dabei für einen kurzen Moment nostalgisch.

Zwitschern und Zwitscherkönig

Doch sogleich setzte er nach: In Deutschland habe es in der Vergangenheit einen vernünftigen Mix von Einsparungen, Strukturreformen und Erhalt des Wachstums gegeben. "Das verraten Sie." Steinmeiers Forderung: Deutschland müsse in der jetzigen Situation in Europa auch Wachstumsimpulse setzen. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer sei hierbei der richtige Weg, so Steinmeier.

Trotz der krawalligen Grundhaltung - insgesamt wechselten sich in Steinmeiers Rede Sachliches und Attacken durchaus ab, was der politische Gegner auch auf einen anderen Grund zurückführte: "Alberne Rede von Steinmeier, bewirbt sich als Kanzlerkandidat", twitterte der FDP-Abgeordnete Oliver Luksic aus dem Bundestag. "Nur Innenpolitik. Liegt am 3 Kampf in der SPD" - dem Rennen um die Kanzlerkandidatur der SPD zwischen Steinmeier, dem früheren Finanzminister Peer Steinbrück und Parteichef Sigmar Gabriel.

Der Niedersachse Gabriel meldete sich übrigens auf Twitter während der Bundestagssitzung. Allerdings kommentierte der SPD-Vorsitzende weder Merkels Rede noch Steinmeiers Auftritt, sondern Äußerungen von Rainer Brüderle. Der FDP-Fraktionschef nenne ihn "Zwitscherkönig", schrieb Gabriel und setzte hinzu: "Vom Zwitschern versteht der sicher mehr als vom Twittern... ;)"

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