Regierungsbildung nach Gaddafi:Libysches Parlament stimmt neuem Kabinett zu

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Seit Wochen ringt Libyen um eine neue Regierung - jetzt hat das Parlament das Kabinett von Ministerpräsident Seidan bestätigt. Einige der zukünftigen Minister müssen sich aber noch einer "Redlichkeitskommission" stellen, bevor sie ihr Amt antreten können.

Nach wochenlangem Gezerre hat Libyen eine neue Regierung. Das Parlament in Tripolis stimmte am Mittwochabend dem neuen Kabinett von Ministerpräsident Ali Seidan zu. Der Regierungschef versprach am Abend in einer TV-Ansprache, er wolle sich vorrangig um die Verbesserung der Sicherheitslage kümmern. Wichtig seien für ihn außerdem Fortschritte im Gesundheitssystem und die nationale Versöhnung, betonte der ehemalige Dissident.

Am Donnerstag äußerten sich viele libysche Beobachter positiv über die Rede und das Versprechen, die "echten Revolutionäre" stärker als bisher in den Aufbau des neuen demokratischen Staates einzubinden. Die 29 Minister und drei stellvertretenden Ministerpräsidenten, die Seidan ausgewählt hatte, können allerdings noch nicht vereidigt werden. Zuerst müssen sich noch sechs von ihnen einer Überprüfung durch eine "Redlichkeitskommission" unterziehen, die prüft, ob ein Politiker enge Beziehungen zum alten Regime von Muammar al-Gaddafi hatte oder in korrupte Machenschaften verwickelt war.

Ministerpräsident Sidan sagte, er habe sich darum bemüht, dass Vertreter aus allen drei Hauptregionen des Landes in seiner Regierungsmannschaft vertreten seien. Unter Gaddafi waren einige Landes- und Bevölkerungsteile benachteiligt und unterdrückt worden. Im Kabinett sitzen auch zwei Ministerinnen. Sie sind zuständig für Soziales und Tourismus. Die Minister der neuen Regierung gehören einem breiten Parteienspektrum an. Das Kabinett löst eine Übergangsregierung ab, die noch von den Führern der Revolution benannt wurde und als wenig effizient gilt.

Chaos bei der ersten Abstimmung

Von den 200 Abgeordneten des Parlaments waren bei der Abstimmung nur 132 anwesend. Von ihnen stimmten 105 Abgeordnete für die Regierung. Neun waren dagegen, 18 enthielten sich. Ein erster Versuch, über Seidans Regierung abzustimmen, hatte am Dienstag im Chaos geendet, als "Revolutionäre" den Saal stürmten. Am Mittwoch zog der Parlamentspräsident die Abstimmung dann zügig durch.

Anschließend kam es jedoch erneut zu Tumulten, als etwa 100 Demonstranten und Angehörige von Milizen vor dem Hotel gegen die Ernennung einiger Minister protestierten. Wachleute gaben nach Angaben von Augenzeugen Warnschüsse ab. Die Abgeordneten mussten sich in Sicherheit bringen.

Seidans Vorgänger Mustafa Abu Schagur war Anfang Oktober mit seinem Vorschlag für ein Kabinett im Parlament gescheitert. Daraufhin war der als liberal geltende Seidan mit der Regierungsbildung beauftragt worden. Er lebte vor der Revolution im Exil in München.

Die Regierung muss sich der Mammutaufgabe widmen, das Gewaltmonopol des Staates gegenüber schwer bewaffneten Milizen durchzusetzen, die sich während des achtmonatigen Bürgerkrieges gegen Gaddafi vergangenes Jahr im ganzen Land gebildet hatten. Zudem muss die Regierung Behörden und Staatsorgane aufbauen, wie Polizei, Justiz und Streitkräfte. Die Städte des Landes sind teils schwer zerstört.

© Süddeutsche.de/dpa/dapd/sebi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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