Regierungsbildung in Israel:Netanjahu riskiert Meuterei im Likud

Wie Israels designierter Premier versucht, eine Koalition mit dem Ultrarechten Liebermann zu schmieden - und dabei eigene Parteifreunde vergrätzt.

T. Schmitz, Tel Aviv

Die Koalitionsverhandlungen des designierten israelischen Premiers Benjamin Netanjahu gestalten sich schwierig.

Regierungsbildung in Israel: In schwierigen Koalitionsverhandlungen: Benjamin Netanjahu

In schwierigen Koalitionsverhandlungen: Benjamin Netanjahu

(Foto: Foto: AFP)

Nachdem sowohl die sozialdemokratische Arbeits- wie auch die liberale Kadima-Partei eine Regierungsbeteiligung ausgeschlossen haben, kann Netanjahu jetzt nur noch mit den Stimmen aus dem rechten Lager eine Koalition schmieden, die lediglich über eine knappe Mehrheit der Mandate im 120-Sitze-Parlament verfügen würde.

Zweitgrößte Regierungsfraktion wäre die russische Immigrantenpartei Unser Haus Israel des früheren Türstehers Avigdor Lieberman, die mit einem explizit antiarabischen Wahlkampf 15 Mandate erzielt hatte.

Hoffen auf Barak

Zusätzlich der Koalition beitreten werden die ultra-orthodoxe Schas und die orthodoxen und siedlerfreundlichen Parteien Jüdisches Haus und Nationale Union.

Netanjahu wollte partout eine ausschließlich aus rechten Parteien bestehende Koalition vermeiden. Er hofft darauf, dass der Chef der Arbeitspartei, Ehud Barak, doch noch in letzter Minute seiner Regierung beitritt und die Führung des Verteidigungsministeriums fortsetzt. Doch Barak hat dafür keine Mehrheit in seiner Partei.

Obwohl Netanjahu sein Amt noch gar nicht angetreten hat, gibt es bereits heftigen Streit in seiner Partei, dem Likud. Einer seiner treuesten Gefährten, Silvan Schalom, ist empört darüber, dass Netanjahu ihm nur die zweitklassigen Arbeits- oder Handelsministerien anbietet.

Schalom möchte gern Außenminister werden, ein Amt, das er bereits einmal zwischen 2003 und 2006 innehatte und in dem er nicht geglänzt hatte. Schalom, der über einen großen Rückhalt im Likud verfügt, sagte, die Richtung, die die künftige Regierung Netanjahu einnehme, sei "besorgniserregend".

Netanjahu will auch Finanzminister sein

Er werde nicht dem Kabinett angehören, falls er nicht Außenminister werde. Seine Anhänger drohen mit einer Meuterei und wollen den Likud verlassen, falls Schalom nicht wenigstens zum Vize-Premier ernannt wird.

Schalom wäre alternativ zum Außenamt auch mit dem Amt des Finanzministers zufrieden. Dies aber möchte Netanjahu neben dem Amt des Premiers selbst ausfüllen.

Netanjahu riskiert Meuterei im Likud

Netanjahu wird wahrscheinlich Lieberman zum Außenminister berufen - weil er muss, nicht, weil er unbedingt will. Lieberman hat zur Bedingung gemacht, dass er dieses Amt haben will, ansonsten werde er Netanjahus Koalition nicht beitreten. Und ohne Lieberman besäße Netanjahu keine Mehrheit.

Dem Vernehmen nach besteht Lieberman darauf, als Außenminister mit vollen Kompetenzen ausgestattet zu werden.

In den arabischen Staaten und auch in den USA sowie in Europa sieht man einen Außenminister Lieberman mit Sorge. In der Vergangenheit hat der Ultranationalist Lieberman, der mit seiner Familie in einer jüdischen Siedlung im Westjordanland wohnt, mit umstrittenen Äußerungen Schlagzeilen gemacht.

Er fordert einen Loyalitätstest aller israelischen Araber und die Verbannung jener in die Palästinensergebiete, die den Test nicht bestehen.

In der Knesset hat der aus Moldawien stammende Lieberman die Hinrichtung jener arabischer Abgeordneter gefordert, die Kontakte nach Syrien oder in den Libanon unterhalten.

Kreide gefressen

Als Strategie-Minister unter Regierungschef Ehud Olmert sprach sich der 1978 nach Israel eingewanderte Lieberman für die Bombardierung Irans aus. Lieberman lehnt den Friedensvertrag von Oslo und den Friedensfahrplan des Nahost-Quartetts ab.

Dass Israels Armee den Gaza-Krieg gestoppt hat, obwohl Hamas dort noch immer herrscht, bedauert er. Die Armee solle dort vorgehen, "wie die russische Armee in Tschetschenien".

Auch Ägypten drohte Lieberman bereits. Falls Kairo sich nicht an den Friedensvertrag halte, solle Israel einfach den Assuan-Damm bombardieren.

Kurz vor dem Antrittsbesuch von US-Außenministerin Hillary Clinton vergangene Woche hat Lieberman indes plötzlich Kreide gefressen und erklärt, er sei für einen "lebensfähigen Palästinenserstaat" und würde dann auch sein Haus in der Siedlung Nokdim räumen.

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