Regierungsbildung in Erfurt:Auf der Suche nach dem gemeinsamen Nenner

Voraussichtlich Abschluss Koalitionsverhandlungen Rot-Rot-Grün

Die Linken-Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow (3.v.l.) und Fraktionschef Bodo Ramelow (3.v.r) am Mittwoch auf dem Weg zu den Koalitionsverhandlungen in Erfurt.

(Foto: dpa)

Machtwille ist der Kitt, der die drei Parteien der Thüringer Koalition zusammenhält. Derzeit funktioniert das - doch bleibt fraglich, wie dauerhaft das rot-rot-grüne Bündnis ist.

Kommentar von Cornelius Pollmer, Dresden

Man darf sich die Regierungsbildung in Erfurt wie einen Pokalwettbewerb vorstellen. Auch sie folgt ihren eigenen Gesetzen und jede weitere Runde kann den K. o. bedeuten. Mit der Einigung auf einen Koalitionsvertrag hat Rot-Rot-Grün zwar noch nicht das Finale erreicht. Dieses wird aller Voraussicht nach am 5. Dezember ausgetragen, dann wird Bodo Ramelow zu Deutschlands erstem linken Ministerpräsidenten gewählt - oder eben nicht. Bis dahin ist nichts endgültig gewonnen. Aber mit der Vorstellung des gemeinsamen Vertragswerks haben Linke, SPD und Grüne einen wichtigen Arbeitssieg erreicht. Dass ihnen das gelungen ist, hat im Wesentlichen drei Gründe.

Geholfen hat erstens die Erinnerung an 2009, als die drei Parteien in Thüringen das erste Mal ein Bündnis formen wollten - und im Streit kläglich scheiterten. Die Erinnerung daran war und ist Mahnung für das Auftreten und Handeln jetzt. Zweitens hat die Gehässigkeit, mit welcher der neuerliche Versuch nicht nur von Teilen der CDU begleitet wird, die Bindungskraft von Rot-Rot-Grün erhöht. Die Parteien eint, drittens, der fast unbedingte Wille zur Macht. Besonders die Linkspartei hat gemessen an ihrem im Vergleich zu SPD und Grünen deutlich besseren Wahlergebnis den beiden Partnern viel zugestanden, das zeigt schon die beabsichtigte Verteilung der Ministerien.

Der gemeinsame Machtwille ist für den Moment ein dienlicher Kitt. Spätestens in den Monaten nach der möglichen Wahl Ramelows aber wird sich zeigen, wie klein oder groß der gemeinsame Nenner der drei Parteien wirklich ist. Die historische Wahl eines Ministerpräsidenten der Linken, die große Aufmerksamkeit und der große Argwohn von außen - das sind zweifellos besondere Umstände. Auch sie aber werden irgendwann im Alltag verblassen. Erst dann wird man sehen, wie stabil Rot-Rot-Grün ist und welches Signal von diesem Bündnis wirklich für den Bund ausgeht.

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