Regierung nach Guttenberg:Ende gut, gar nichts gut

Lesezeit: 3 min

Die Kanzlerin hat mit de Maizière und Friedrich zwei zurückhaltende und solide Politiker berufen. Sie verkörpern jenen Politikertypus, auf dessen Kosten sich Guttenberg immer profiliert hat. Alles wieder in Ordnung? Mitnichten: Mit ihrem Verhalten während der Affäre beschädigte Merkel ihre Glaubwürdigkeit - und müsste es nun zu vielen recht machen.

Nico Fried

An der Berufung von Thomas de Maizière und Hans-Peter Friedrich ins Kabinett gibt es nichts auszusetzen. Die Kompetenz und Autorität des einen ist unbestritten, dem anderen darf man zutrauen, dass er sie erwerben kann. Beide stehen für Solidität und zurückhaltendes Auftreten. Beide verkörpern damit den Politikertypus, von dem sich Karl-Theodor zu Guttenberg immer unterschieden, besser gesagt: auf dessen Kosten er sich gerne profiliert hat. Die schwarz-gelbe Regierung zelebriert die Rückkehr zu einer gewissen Langeweile. Ein Glück.

Sie hatte schon verloren, als die ersten Plagiate in Karl-Theodor zu Guttenbergs Doktorarbeit bekannt wurden: Bundeskanzlerin Angela Merkel. (Foto: AFP)

Die Kanzlerin will mit dieser letztlich doch recht flotten Neubesetzung mehrere Botschaften aussenden. Erstens: Die Koalition ist handlungsfähig, personell und in der Sache. Zweitens: Ab sofort wird wieder regiert und nicht mehr camoufliert wie in den vergangenen Tagen. Drittens: Die Reform der Bundeswehr und der Einsatz in Afghanistan haben für Angela Merkel eine hohe Bedeutung. Und auf die nächste Terrorwarnung wartet nun ein Minister, dem man von den Christsozialen, die überhaupt in Frage kamen, am ehesten zutrauen darf, dass er die wohltuende Unaufgeregtheit seines Vorgängers übernimmt.

Also alles wieder leidlich in Ordnung für Merkel und ihre Koalition? Mitnichten. Die Plagiatsaffäre und ihr vorläufiges Ende haben die Regierung erschüttert, die Koalition irritiert, die Union verunsichert und die eigene Wählerschaft wenige Wochen vor wichtigen Landtagswahlen gewiss nicht motiviert. Angela Merkel muss Schäden auf mehreren Seiten beheben. Auch insofern ist es eine Regierungsumbildung, die unter den gegebenen Umständen nicht besser zu machen war. Im Kernbereich ihrer Regierung aber braucht die Kanzlerin nun vor allem eines: Ruhe.

Über Guttenbergs Aufstieg staunte das Land, über Hans-Peter Friedrichs Aufstieg staunt er selbst wohl am meisten. Das spricht nicht gegen ihn. Als Verteidigungsminister wiederum stand Guttenberg für den Effekt, Thomas de Maizière steht bislang für Effizienz. Er hat sich zu einer Art Troubleshooter und Alleskönner in Merkels Kabinett entwickelt. Thomas de Maizière war geeignet für die innere Sicherheit, er ist geeignet für die äußere Sicherheit. Und nicht zuletzt sieht die Kanzlerin in ihm den richtigen Mann für ihre politische Sicherheit.

Jenseits der Regierung müsste es Merkel nun vielen recht machen, aber es wird ihr nicht bei allen gelingen. Denn eigentlich hatte sie schon verloren, als die ersten Plagiate in Guttenbergs Doktorarbeit bekannt wurden. Die Kanzlerin entschied sich, den Minister zu stützen, und zahlte dafür einen hohen Preis. Jetzt ist sie einen Minister los, nicht aber den Erklärungsnotstand für ihr Verhalten. Hätte sie andererseits sofort durchgegriffen, hätte sie sich der Gefolgschaft in den eigenen Reihen und in weiten Teilen der Bevölkerung auch nicht sicher sein können. Für Merkel ging es von Anfang an nicht darum, wie sie am besten, sondern nur, wie sie am wenigsten schlecht aus dieser Geschichte herauskommen würde.

Comebacks nach dem Rücktritt
:Jetzt erst recht

Guttenbergs Rücktritt muss noch lange nicht das Ende seiner Karriere sein. Nicht nur in der Politik tauchen Verschwundene plötzlich wieder auf - erfolgreicher als je zuvor. Eine Auswahl von bedeutenden Rückkehrern

Bildern.

Nun sieht sich Merkel wegen ihrer Unterscheidung von wissenschaftlicher Reputation und politischer Befähigung einem Aufruhr in Teilen des Bildungsbürgertums ausgesetzt, den sie selbst angefacht hat und den sie nicht beruhigen wird, solange sie so tut, als erkenne sie ihren Fehler nicht. Merkel gerät vielmehr in Widerspruch zu dem Ansehen, das sie sich in den Jahren als Regierungschefin erarbeitet hat: Nüchterne Klugheit ist zur Basis ihrer Glaubwürdigkeit geworden - genau deshalb nimmt man ihr jetzt nicht ab, wenn sie sich, bei allem Respekt, dümmer stellt, als man sie kennt.

Zugleich muss Merkel die Desillusionierten bei Laune halten, die von Guttenberg fasziniert waren und nun entweder von seinem Fehlverhalten als Doktorand enttäuscht sind oder aber in seinem Rücktritt den eigentlichen Fehler sehen. Jenen, über die gern gesagt wird, Guttenberg habe sie wieder für Politik interessiert, wird Merkel erklären und vorleben müssen, dass Persönlichkeit nur einen Teil von Politik ausmacht; dass der Ausgleich von gegensätzlichen Interessen mühsam sein kann, aber zugleich für die Demokratie auch identitätsstiftend ist; dass de Maizière und Friedrich spröde wirken mögen, aber deshalb keine schlechten Politiker sein müssen.

Wenige Stunden nach dem Rücktritt Guttenbergs hat die Kanzlerin am Dienstagabend mal so richtig losgelegt: Im baden-württembergischen Wahlkampf schimpfte Merkel über Scheinheiligkeit und Verlogenheit im Land. Sie meinte damit nicht den Verteidigungsminister a.D., sondern dessen Kritiker. Es war am Ende eines unerfreulichen Tages wohl eine Art Frustabbau.

Es war aber auch Merkels erster Auftritt in einer neuen Rolle: Die CDU-Vorsitzende ist bis auf weiteres die einzig verbliebene Stimmungskanone der Union. Es ist eine Rolle, deren Schrillheit zur selbsternannten Kanzlerin aller Deutschen so wenig passt wie zur neuen Nüchternheit nach dem Revirement des Kabinetts. Doch was bleibt ihr übrig, wenn ihre Partei die nächsten Wahlen überstehen soll?

Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich im Abgang für die Unterstützung der Kanzlerin bedankt. Es ist nicht wirklich ersichtlich, dass Angela Merkel Grund hätte, diesen Dank zu erwidern.

© SZ vom 03.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: