Reformplan für die EU:Schäubles Vorschläge spalten Europa

Wie weit darf das Eingriffsrecht der EU auf nationale Haushalte gehen? Parlamentspräsident Schulz weist Schäubles Vorschlag eines EU-Währungskommissars mit Vetorecht zurück - und pocht auf die Zustimmung der Parlamente. Andere halten die Pläne des deutschen Finanzministers aber für eine gute Idee.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) lehnt die Forderung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ab, dass die EU-Kommission ein verschärftes Eingriffsrecht in nationale Haushalte bekommen soll. "Es darf ganz sicher keinen EU-Finanzminister geben, der das Haushaltsrecht der Mitgliedstaaten relativieren kann. Wenn überhaupt, dann geht das nur mit demokratischer Legitimation", sagte Schulz der Welt. "Wenn sich also nationale Parlamente und EU-Parlament auf feste Kriterien einigen, dann ist ein solches Eingriffsrecht vorstellbar."

Schulz gab gleichzeitig zu, dass es eine stärkere Aufsicht über die Haushaltsdisziplin geben müsse. "Wir müssen nüchtern sehen, dass wir echte Kontrolle brauchen. Es kann nicht sein, dass wir uns neue gemeinschaftliche Regeln geben, und am Ende hält sich niemand daran."

Schäuble will dem EU-Währungskommissar das Recht einräumen, den Haushalt eines Mitgliedslandes an dieses zurückzuverweisen, wenn ihm zum Beispiel die Neuverschuldung zu hoch erscheint. Dort müsste der Etat dann überarbeitet werden. Außerdem soll der Währungskommissar Entscheidungen unabhängig von der übrigen Kommission treffen können. Bisher braucht er für viele Entscheidungen die Zustimmung der Kollegen.

Das deutsche Mitglied im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB), Jörg Asmussen, unterstützt Schäubles Vorstoß. "Der Bundesfinanzminister hat einen ganz wichtigen Punkt angesprochen, der geklärt werden muss: dass wir in Zukunft mehr Souveränität in Europa teilen müssen, um den Stabilitätserfordernissen, die eine Währungsunion hat, Rechnung zu tragen", sagte Asmussen dem Sender HR-Info. "Dabei ist der ganz zentrale Punkt: Wie gehen wir mit einem Land um, dessen Budget aus dem Ruder läuft - gegen die Absprachen, die man gemeinsam getroffen hat?", sagte Asmussen.

Fahrplan für Europa

Er unterstützte den Vorschlag Schäubles, dem EU-Währungskommissar ein "Vetorecht" einzuräumen, falls nationalen Haushalten die Überschuldung drohe. "Dann ist es eine gute Idee, dass der Währungskommissar das Budget zurückweisen kann." Asmussen ergänzte allerdings, dass ein Haushalt nur "in Gänze" abgelehnt werden solle: "Wie man dieses Budget korrigiert, das bleibt in der Kompetenz des Mitgliedsstaates."

Im Vorfeld des EU-Gipfels forderte der EZB-Experte zur Umsetzung der Pläne erste konkrete Schritte, die bis Ende des Jahres erarbeitet werden sollten. "Wir müssen einen Fahrplan vorlegen: Wie soll Europa in den nächsten zehn Jahren aussehen."

Auch der CSU-Europapolitiker Manfred Weber signalisierte seine Zustimmung zur Forderung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach Durchgriffsrechten für die EU-Kommission auf die nationalen Haushalte der Eurozone. "Wir brauchen eine starke Instanz, die mit einem Vetorecht das exzessive Schuldenmachen unterbinden kann", sagte der Vize der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament der Berliner Zeitung. "Das betrifft dann aber auch alle Staaten. Wir Deutschen können nicht sagen: Bei Griechenland wollen wir den Durchgriff, bei uns selbst lehnen wir ihn ab."

In Brüssel war Schäubles Reformkatalog am Dienstag mit Zurückhaltung aufgenommen worden. Eine Sprecherin von EU-Kommissionschef José Manuel Barroso sagte lediglich: "Wir haben schon einen Super-Kommissar, er ist auch ein Super-Vizepräsident, er heißt Olli Rehn." Der Finne hat derzeit das Amt des Währungskommissars inne und ist gleichzeitig einer der Vizepräsidenten der Kommission. Außerdem verwies sie auf vorliegende Reformvorschläge Barrosos.

Vor dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel ringen die EU und die Mitgliedsländer um Schritte aus der Euro-Schuldenkrise. Schäuble setzt sich für rasche Reformen und teils tiefgreifende Vertragsänderungen ein. Er plädierte auch für eine Stärkung des Europäischen Parlaments mit einem "flexiblen Stimmrecht". Ziel sei eine Art "Euro-Gruppen-Parlament". So sollten im Europäischen Parlament bei Entscheidungen, die nur bestimmte Gruppen wie die Euro-Zone oder die Schengen-Staaten betreffen, künftig auch nur die Abgeordneten aus den jeweils betroffenen Mitgliedsstaaten abstimmen.

"Wir müssen jetzt größere Schritte zur Fiskalunion machen", sagte der Minister am Dienstag. Für Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat dagegen bei dem Treffen am Donnerstag und Freitag die geplante Bankenaufsicht hohe Priorität. Merkel sagte am Dienstagabend in Berlin: "Zum Schluss muss eine bessere Bankenaufsicht da sein als die, die wir heute haben." Daher gelte bei den anstehenden EU-Beratungen: "Qualität geht vor Schnelligkeit."

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